Ajac hat die Absicht, sich in der
Bibliothek des Grafen umzusehen und verschwindet nach kurzer
Zeit.
Du überlegst eine Weile, was Du machen
könntest und beschliesst dann, hinunter in die grosse Halle zu
gehen und Dich ein wenig unter die Soldaten zu mischen.
Du durchquerst den Gästetrakt der Burg,
steigst ein paar Stufen hinunter, folgst einem Korridor und betrittst
durch eine Seitentür die Haupthalle der Burg.
Nur diffuses Tageslicht dringt durch die hohen
Fenster über dem Haupteingang in die Halle. Fackeln an den
Wänden und das grosse Feuer in der Mitte des Raumes spenden mehr
Licht als die nebelgefilterte Sonne. Die Dachbalken über Dir
liegen halbverborgen im Schatten, und im hinteren Teil der Halle kann
man nur undeutlich die erhöhte Tafel der gräflichen Familie
erkennen. Eine hölzerne Balustrade umspannt den Raum auf halber
Höhe der Wand. Darunter und darauf führen unzählige
Durchgänge und Türen zu den tieferen Gefilden der
Burg.
Um die grosse Feuerstelle herum sind einige
Holzbänke und -tische aufgestellt, an denen es sich
ungefähr zwanzig dienstfreie Gardisten und Wachen gemütlich
gemacht haben. Man hört das Klappern von Würfeln und
angeregte Gespräche. Dienstboten hasten hin und wieder durch die
Halle, unterwegs um irgendeinen Auftrag zu erledigen. Eben betreten
zwei abgelöste Wachen die Halle und entledigen sich der weiten
Mäntel, mit denen sie sich vor Kälte und Nässe
geschützt haben. Darunter kommen die Farben von Llannaid zum
Vorschein: Blau und Schwarz.
"Komm her zum Feuer und wärm Dich auf,
Dinand", ruft einer der Spieler, "und dabei kannst Du mir Gelegenheit
geben, mein Kupfer von gestern abend zurück zu gewinnen."
"Dein Kupfer habe ich längst versoffen,
Savein, such Dir jemand anderen, an den Du Dein Geld loswerden
kannst."
Die Neuankömmlinge setzen sich an einen etwas
ruhigeren Tisch und schenken sich erstmal etwas Glühwein
ein.
Du beschliesst, Dich vorerst zu den
Neuankömmlingen zu gesellen und vielleicht später ein paar
Runden zu würfeln. Im ersten Moment scheint es den einfachen
Soldaten etwas unheimlich zu sein, einen Gast des Grafen bei sich am
Tisch sitzen zu haben, aber bald findest Du Dich in einem sehr
angeregten Gespräch über die Ereignisse der letzten Tage.
Mehrfach musst Du erzählen, wie Ihr diesen
finsteren Kult ausfindig gemacht und zerstört habt. Du passt
höllisch auf, dass Du nichts von den Dingen erzählst, die
nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind. Für diese
Männer und Frauen war es nur ein zauberkräftiger Priester
des Kjarun, der seine finsteren Ränke in Llannaid schmiedete.
Sie wissen nichts von Gestaltwandlern oder Driandri, und auch den
Dämon des Kjarun habt Ihr geheimgehalten.
Nichtsdestotrotz ist ihre Besorgnis gross, denn
die Götter des Chaos werden hier in Gwynneth als ein sehr
grosses Übel angesehen. Selbst Kulte wie der der Dyra
(Göttin der Erde) oder der Kaira (Musik und Tanz), die in
Chelekar allgegenwärtig sind, sind diesen Leuten sehr suspekt.
Die Schutzgötter des Reiches sind Saër (Wahrheit und
Gerechtigkeit) und Liësson (Krieg und Ehre), aber auch Ardaria
(Mitleid und Heilkunst) geniesst ein sehr hohes Ansehen.
Langsam schwenkt das Thema mehr auf Gwynneth und
die Stadt Llannaid im allgemeinen. Die Soldaten sehen dem Winter als
einer ruhigen, eher langweiligen Jahreszeit entgegen. Eher
ungewöhnlich ist, dass der Graf dieses Jahr anscheinend vorhat,
den ganzen Winter in Llannaid zu verbringen. Gewöhnlich
verbrachte er eine beträchtliche Zeit in der Hauptstadt am Hof
des Königs.
"Aber es heisst (pssst!), dass Graf Tamaig sich
nicht gut mit dem jungen König versteht. Vielleicht stimmt es ja
auch, was man sich erzählt, dass Prinz Corwin, seinen Vater gar
nicht vergiftet hat und dass der FALSCHE Prinz in den Verliesen der
Burg von Gwynnin schmachtet."
"Nein, das ganze ist eine Verschwörung von
Langein, dem gegendrehwärtigen Königreich und Erzfeind von
Gwynneth. König Guldor von Langein verhandelt mit den
verfluchten Tlaroi, um die Herrschaft über Gwynneth zu
übernehmen. Er ist scharf auf das Kupfer, das man in den
Hügeln von Faelgan gefunden hat. Aber dazu werden wir es nicht
kommen lassen! Solange es Männer wie den Grafen in Gwynneth
gibt, wird das Reich nicht untergehen."
"Ich habe gehört, dass der Graf seinen
ältesten Sohn zu sich gerufen hat (er dient im Moment am Hof von
Waillan ap Ulbraig). Vielleicht ist Graf Tamaig ja krank."
"Hüte Deine Zunge! Der Graf ist bei bester
Gesundheit und wird noch viele Jahre über Llannaid
herrschen."
Jetzt schwenkt die Unterhaltung der Soldaten mehr
in Richtung ihres privaten Glücks oder Unglücks bei den
Frauen bzw. Männern, und Du beschliesst, Dich zu den Spielern am
Nachbartisch zu setzen.
"Hey, habt ihr noch einen Platz in Eurer Runde
frei, damit man versuchen kann, seine schmale Börse etwas
aufzubessern?"
"Versuchen darfst Du es gerne, wenn Du auch bereit
bist etwas zu verlieren,Fremder."
"Mein Name ist Garthan."
"Na gut, Garthan. Setz Dich! Ich heisse Savein und
das sind Fiara und Gedwyn."
Savein ist ein narbiger alter Haudegen, mit
strähnigem grauen Haar und dem Ansatz eines Bierbauches. Fiara
ist eine grosse, dunkelhaarige Frau mit strengen Gesichtszügen
und braunen Augen. Gedwyn scheint der Jüngste der drei zu sein,
mit seinen blauen Augen, blondem Haar und schütterem Haar sieht
er aus wie kaum zwanzig. Die drei sind Mitglieder der Leibgarde des
Grafen und stellen sich bald als etwas rauhe, aber angenehme
Gesellschaft heraus. Sie spielen "Donars Fluch", ein Dir unbekanntes,
aber einfaches Würfelspiel, das Du schnell durchschaust. Fiara
erklärt:
"Das Spiel ist benannt nach Donar
Schwertträger. Er war der König von Gwynneth als die Tlaroi
in diese Gegend kamen. Um die Menschen gegen sie zu verteidigen, nahm
er eine schwere Queste auf sich. Schliesslich belohnte Liesson seine
Mühen und gewährte ihm das Schwert "Durang", das sein
Vorfahr Ulthar Riesentöter getragen hatte. Mit dessen Hilfe
einigte er die Reiche kernwärts des Gebirges und zog gegen die
Tlaroi zu Felde. Lange war er siegreich, bis schliesslich die Chelek
selbst gegen ihn in die Schlacht zog. Da verliess seine
Verbündeten der Mut, und sie flohen vom Schlachtfeld. Er
erschlug viele Tlaroi, aber schliesslich wurde er selbst
getötet, und die Chelek liess seinen Leichnam verbrennen. Das
Schwert "Durang" aber wurde von Liesson der Welt entrückt und
wartet bis heute auf einen neuen Helden, der sich seiner würdig
erweist. Das Würfelspiel stellt Donars Bemühungen dar, die
Menschen unter seinem Banner zu einigen."
Während der nächsten Stunden gewinnst Du
einige Klan, das Glück scheint Dir hold zu sein. Du
erfährst, dass der Hauptmann der Leibgarde, Brandon ap Riados -
Du hast ihn am Morgen gesehen - ein strenger Vorgesetzter ist, der
sich wenig unter seine Soldaten mischt. Aber er hat das Vertrauen des
Grafen und sitzt in dessen Rat. Der Hauptmann der Stadtwache,
Levardos, ist ein wesentlich umgänglicherer Typ und bei seinen
Leuten sehr beliebt. Die Garde hält aber eher etwas Abstand von
ihm, mehr wegen einer gewissen Rivalität zwischen den beiden
Einheiten, als aus persönlicher Abneigung.
Am Haupteingang tut sich etwas. Die grosse
doppelflügelige Holztür wird geöffnet, und eine Gruppe
Reisender betritt die Halle. Sie werden sehr ehrerbietig von einigen
Bediensteten empfangen. Plötzlich teilt sich die Gruppe am
Eingang, und Du kannst das Zentrum der Aufmerksamkeit sehen. Eine
junge Frau entledigt sich ihres Reisemantels und reicht ihn einem
Dienstboten. Sie trägt einen weinrotes, anscheinend kostbares
Kleid, ihr dunkelblondes Haar ist hochgesteckt und ihre blauen Augen
blitzen im Feuerschein. Sie ist eine kleine, zierliche Person und
ausgesprochen hübsch.
Jetzt erscheint der Haushofmeister, verbeugt sich
und geleitet die Gesellschaft in Richtung des
Gästetraktes.
"Das ist Arwen ap
Tereg, die Nichte des Grafen." Savein
folgt der Gruppe mit seinem Blick. "Sie besucht mal wieder ihren
Onkel. Das heisst für uns zusätzlichen Dienst. Die feine
Dame treibt sich nämlich überall in der Gegend herum, und
wir müssen auf sie aufpassen."
"Halt die Klappe, alter Bock", weist ihn Fiara
zurecht. "Wenn es nach ihr ginge, würde niemand auf sie
achtgeben. Der Graf besteht darauf. Gib lieber diesem jungen Bock
einen Klaps, sonst fallen ihm noch die Augen aus dem Kopf."
Die beiden lachen Gedwyn aus, der hinter der
jungen Adligen hergestarrt hat. Er wird knallrot.
"Würfel endlich. Ich will wenigstens etwas
von meinen Verlusten wieder zurückgewinnen." Seine Aufforderung
ist an Dich gerichtet.
Ihr spielt noch eine Zeit lang, dann wird es Zeit
für die drei, ihre nächste Wache anzutreten.
"Ich muss die Runde über die Mauer machen",
meint Savein zu Dir. "Das ist eine ziemlich einsame Angelegenheit.
Vielleicht hast Du Lust, mir etwas Gesellschaft zu leisten. Ich
würde gern mehr von dieser Stadt Chelekar hören."
"Du willst ihn doch nicht wirklich dazu
überreden, bei diesem Wetter freiwillig Wache zu schieben?"
Fiara klingt empört.
Aber du denkst Dir, dass es eine gute Gelegenheit
ist, sich die Verteidigungsanlagen anzusehen. Wer weiss, wozu es
einmal gut sein kann. Ausserdem kann es nicht schaden, die
Freundschaft der Garde zu kultivieren. Also begleitest Du Savein auf
seiner Schicht, zumindest eine Zeit lang.
Die Burg ist eine ziemlich grosse Angelegenheit.
Wahrscheinlich viel zu gross für die paar Soldaten, die der Graf
hat. Aber im Notfall könnte dieser sicherlich wesentlich mehr
Kämpfer aus der Umgebung rekrutieren. Dann wäre die Anlage
eine beachtliche Festung.
Savein ist recht dankbar, dass Du ihm die Zeit auf
Wache verkürzt und läd Dich schliesslich ein, nach der
Schicht noch einige Runden mit ihm zu trinken. Darüber vergeht
der Abend, und es ist recht spät, als Du in Eure Gemächer
zurückkehrst.