DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Morgens
Aus dem Dunkel der hinteren Kammer weht ein kühler Luftzug und läßt Euch
schaudern, als Stille einkehrt, und Ihr auf die Verfolger wartet. Wie
kalte Leichenfinger tastet die muffige Luft über Eure Körper. Ihr könnt
Euch eines Schauderns nicht erwehren. Alle rücken unwillkürlich von
der Dunkelheit in Richtung des Tageslichts, obwohl von dort die Schergen
des Königs kommen werden.
Malvin richtet sich auf und reicht seinen zweiten Leuchtstein an Gwendon.
An den Grafen gewandt sagt er: "Diese Gänge durchziehen den ganzen Wald,
wenn nicht sogar Euer ganzes Königreich. Durch sie können wir entkommen."
Der Graf sieht ihn zweifelnd an. "Aber werden wir uns dort zurechtfinden?
Ich gebe nichts auf die Geschichten von den Geistern des alten Volkes,
aber wie sollen wir den Ausgang finden? Wenn wir nicht vorher von einem
Einsturz gebraben werden."
"Ich kenne diese Gänge ein wenig," meint Malvin. "Und ich werde vorgehen,
um mich etwas zu orientieren und um sicherzugehen, daß wir nicht in eine
Sackgasse gehen. Solange müßt Ihr" - er nickt in Richtung Garthan und
Turras - "den Eingang verteidigen."
"Soll nicht noch jemand mitgehen?" fragt Turras.
Malvin schüttelt den Kopf. "Nein, daß muß ich alleine machen." Sein
Ton duldet keine Widerrede.
Er hält den einen Lichtstein vor sich und geht ohne ein weiteres Wort
weiter in den Berg hinein. Die Kammer verengt sich nach einiger Zeit wieder
und bald ist Malvin verschwunden.
"Und wenn er nicht wiederkommt?" fragt der Gardist niemanden bestimmten.
"Er kommt wieder!" sagen Turras und Gwendon fast gleichzeitig.
Aber es bleibt keine Zeit über Malvin und sein seltsames Verhalten
nachzugrübeln, denn von draußen ertönen die Rufe der Verfolger. Sie
sind da.
Garthan und Turras packen ihre Schwerter fester. Schritte sind zu hören,
das Scheppern von Metall, dann lautes Atmen. Eine Gestalt taucht in dem
engen Gang auf. Bevor sie sich zurückziehen oder weiter vorbewegen kann,
springt Garthan vor und schlägt mit einem Kriegsruf auf sie ein. Er
stößt seine Klinge unter dem Schild des Gegners hindurch und tief in
dessen rechtes Bein hinein. Dieser schreit schmerzerfüllt auf und stolpert
nach vorne. Geschickt weicht Garthan etwas zurück und macht Platz für
Turras, der sein Schwert von oben auf den gesenkten Kopf des Feindes
herabsausen läßt. Funken sprühen, als der Hieb Helm und Kopf spaltet.
Der Soldat ist tot, bevor sein Körper auf den Boden schlägt.
Der Gardist zieht den Leichnam weg, um den beiden Kriegern wieder Platz
zu schaffen, aber es kommt kein zweiter Gegner. Warn- und Schreckensrufe
sind aus dem Gang zu hören, aber die Verfolger ziehen sich zurück.
Niemand scheint scharf darauf zu sein, als nächster in diese Todesfalle
zu laufen. Turras und Garthan wischen die Spuren ihres blutigen Handwerks
von den Schwertern, und dann heißt es wieder warten.
Einige Zeit vergeht, ohne daß sich jemand sehen oder hören läßt, bis
schließlich eine Stimme durch den Gang zu Euch dringt. Es ist wieder
Turgan, der Euch schon auf dem Hügel gegenüber gestanden hat.
"Herr Graf, ich habe den Auftrag, Euch und Oberst Malvin zum König zu
bringen. Wollt Ihr nicht herauskommen und Euch stellen? Euren Begleitern
wird dann nichts passieren."
Der Graf ruft zurück: "So wie dem Hauptmann meiner Garde, Brandon ap
Riados, den Ihr feige niedergeschossen habt?"
"Das war eine übereilte Tat eines meiner Männer. Er wird dafür zur
Rechenschaft gezogen werden. Ich verspreche, daß Euch und keinem Eurer
Begleiter etwas geschehen wird, bis Ihr vor dem König gestanden habt, wenn
Ihr Euch jetzt ergebt. Bei Liesson und Saer!"
Der Graf wirft einen Blick hinter sich, dort wo Malvin verschwunden ist.
Die Dunkelheit wirkt bedrohlich, so als wollte sie etwas, was sie einmal
verschlungen hat, nie wieder hergeben. Tamaig ap Llannaid schaut unsicher.
Er scheint drauf und dran, das Angebot Turgans anzunehmen.