Ein paar Tage später. Die Nacht
ist hereingebrochen, und Ylor hat Dich am Steuer abgelöst. Den
ganzen Tag hat ein heftige und kalte Brise geweht, die den Aufenthalt
an Deck unangenehm machte. Aber jetzt hat der Wind nachgelassen und
ist wärmer geworden. Der Himmel ist von Wolken leergefegt, und
die Sterne blinken am Himmel. Du bleibst einen Moment an der Reling
stehen und geniesst die vielleicht letzte warme Brise, bevor die
Herbstwinde endgültig die Herrschaft übernehmen. Über
Dir steht das grosse Hauptsegel steif im Wind, das Schiff knarrt
leise unter Deinen Füssen.
Leise Schritte hinter Dir veranlassen Dich, Dich
umzudrehen. Eine in einen Umhang gehüllte, schlanke Gestalt
tritt neben Dich an die Reling, und Du erkennst Aiunn am Duft ihres
Parfums. Du wagst kaum zu atmen.
"Ich habe mich den ganzen Tag in der Kabine
eingesperrt gefühlt. Ich bin so froh, dass das Wetter wieder
besser geworden ist."
"Leider wird das Wetter wohl nicht lange halten.
Der Herbst schreitet voran. Aber wenn Ihr etwas braucht, um Euch die
Reise angenehmer zu machen, sagt mir Bescheid. Ich werde tun was ich
kann."
"Danke, aber im Moment bin ich ganz zufrieden."
Sie lehnt sich an die Reling und seufzt leise. "Sind die Sterne nicht
schön? Ich habe sie selten so klar gesehen wie heute."
"Auf See sind sie immer viel klarer als auf dem
Land."
"Kennt Ihr ihre Namen? Ich denke, Ihr müsst
wohl als Navigator." Aiunn lacht leise.
"Sicher kenne ich die Namen. Dort vorne über
dem Bug steht die 'Krone des Kalten Königs'. Sie hängt
immer über den Kern der Welt und zeigt uns im Moment unseren
Weg. Dort drüben der helle Stern ist 'Lyradis Auge'. Seht Ihr
wie er rötlich funkelt? ..."
Neben ihr an der Reling lehnend erklärst Du
Aiunn die Sterne und Sternbilder an Jhendors Himmel. Sie steht so nah
neben Dir, dass Du ihre Wärme spüren kannst. Wenn sie sich
bewegt, streift Ihr Mantel Deinen Arm.
Nach einer Weile betrachtet Ihr nur noch
schweigend den Himmel. Es wird wieder kälter. Aiunn zieht ihren
Umhang enger und fröstelt.
"Soll ich Euch einen zweiten Umhang bringen? Oder
etwas warmes zu trinken?" fragst Du besorgt.
Aiunn schüttelt den Kopf. "Nein, ich werde
sowieso müde. Ich werde jetzt wieder in meine Kabine gehen und
schlafen." Sie legt ihre Hand auf Deinen Arm. "Danke."
Du begleitest sie zu Ihrer Kabine. Als sie durch
die Tür geht, dreht sie sich noch einmal um. "Nochmal danke, und
sag bitte 'Du' zu mir, das wäre sehr nett ... von Dir."
Klick. Die Tür fällt ins Schloss.
...
Ein Kichern reisst Dich plötzlich aus Deinen
Tagträumen, und Du merkst, dass Du immer noch vor Aiunns
Kabinentür stehst. Vor dem Ausgang zum Deck sind einige dunkle
Gestalten zu erkennen.
"Was habt Ihr hier herumzulungern, faule Saubande.
Macht Euch an Eure Arbeit der in Eure Kojen!", fährst Du die
Matrosen an. Du hörst noch ein paar unterdrückte Worte und
etwas leises Gelächter, und dann verschwinden die Seeleute. Mit
einem Seufzer begibst auch Du Dich in Deine Koje.