Charakterspiel und Gruppenspiel

Für allgemeine Diskussionen zum Thema Rollenspiel
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Uthoroc
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Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Im Gedenken an unsere kleine Diskussion am Sonntag, habe ich mal ein bisschen nach neuerer Rollenspieltheorie in der deutschen Szene gesucht (die der anglo-sächsischen etwas hinterherhinkt), und habe einen meiner Meinung nach recht guten Artikel gefunden, auch wenn er sich speziell auf DSA bezieht.

Wen es interessiert:
http://www.wolkenturm.de/index.php?page ... dsarichtig

Man ganz gut sehen, dass sich die Rollenspieltheorie von den Anfängen (Spielerklassifizierung nach Vorlieben) deutlich weiterentwickelt hat.
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

RalfW wrote:schöner Blog Eintrag, schade dass ich bei der Diskussion nicht dabei war :)
Dirk wrote:Im Kern ging es um die Frage, ob ein Spieler seinen Charakter spielen oder
sich im Zweifel auf das Gruppeninteresse ausrichten soll. Hier haben wir
festgestellt, dass ich offenbar zu "alte Vorstellungen" habe. Eine
interessante Frage - auch bezüglich der story und der Einbindung der
spielenden Charaktere. Wer wird eingebunden und wer lässt sich wie
einbinden?!

Wir hatten zwei schöne Spielabende und die Diskussion zeigt, wie groß unser
alle Interesse ist und war. So gesehen sind solche Abwägungen immer
konstruktiv.
RalfS wrote:"Gruppeninteresse" hier im Sinne der Spieler, nicht notwendigerweise der Charaktere - nur zur Klarstellung.

Ja, ich fand es sehr schön, auch nachher mal wieder einfach über das Spielen zu diskutieren. Ich hoffe ich klang nicht nörgelnd - es hat mir sehr viel Spass mit allen gemacht!
Dirk wrote:Es klang nicht nörgelnd - deswegen schrieb ich ja, dass die Diskussion
positiv weil konstruktiv war und ist.

Gruppeninteresse der Spieler beinhaltet ebenso den Spielleiter. Gemeinsames
Interesse ist Spaß am Spiel. Wie erreichen wir / man das - was nicht
impliziert, dass wir dies nicht schon erreicht haben.

Konkret ging es um die Frage,

a)
ob ein PC grundmotiviert ist, sich mit einer Fragestellung zu befassen, auch
wenn diese nicht unbedingt in seine aktuelle Interessenlage passt.

Meine Antwort:

JA. Es sind Abenteurer möglichst Helden. Wären es alleine in ihrem
jeweiligen bereich Interessierte, könnten sie zu hause bleiben und müssten
keine Abenteuer suchen oder versuchen, die Welt zu retten etc.

b)
ob ein PC, obwohl er von den Eigenschaften her a) tun würde, um die
storyrelevanten Fragen zu beantworten und die Story weiterzubringen b) tun
muß, weil andere Spieler dies angenehmer fänden. Also: Beide Vorgehensweisen
fördern die Story und führen zu Ergebnisse.

Meine Antwort:

Basis: Story voranbringen und Spaß für alle
Aufbau: Charaktertypisches Spiel, um dies zu erreichen vor
gruppenabgestimmtem Spiel.

Konkretes Beispiel aus dem letzten Spielabend:

Arkasius (Magister, absend minded, Typ: Gelehrter, Forscher, pazifistisch
eingestellt etc.) will mehr über ein Thema herausfinden und zieht sich dafür
zur Recherche zurück. Dabei wird er ständig von anderen PC gestört, die
plaudern oder ihn segnen etc. wollen. Arkasius ist irritiert, versucht nach
seinen Möglichkeiten freundlich zu bleiben und will sich wieder auf seine
Recherche konzentrieren. Sobald die Ergebnisse vorliegen, berichtet er
selbstverständlich der Gruppe und schaltet sich aktiv in die Diskussion und
Vorgänge ein.

(Ich habe mal ein Beispiel von meinem Charakter genommen, es gäbe von
anderen ebensolche.)
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Dirk wrote:Es klang nicht nörgelnd - deswegen schrieb ich ja, dass die Diskussion
positiv weil konstruktiv war und ist.

Gut.
Dirk wrote:JA. Es sind Abenteurer möglichst Helden. Wären es alleine in ihrem jeweiligen bereich Interessierte, könnten sie zu hause bleiben und müssten keine Abenteuer suchen oder versuchen, die Welt zu retten etc.

Ich stimme voll und ganz zu. Natürlich ist es auch Sache des Spielleiters, einen Hintergrund/Plot zu präsentieren, der das Interesse der Spieler findet. Aber wenn das mal nicht so gut funktioniert, sollte jeder Spieler sich bemühen, eine Motivation für seinen Charakter zu finden.
DIrk wrote:Arkasius (Magister, absend minded, Typ: Gelehrter, Forscher, pazifistisch eingestellt etc.) will mehr über ein Thema herausfinden und zieht sich dafür zur Recherche zurück. Dabei wird er ständig von anderen PC gestört, die plaudern oder ihn segnen etc. wollen. Arkasius ist irritiert, versucht nach seinen Möglichkeiten freundlich zu bleiben und will sich wieder auf seine Recherche konzentrieren. Sobald die Ergebnisse vorliegen, berichtet er selbstverständlich der Gruppe und schaltet sich aktiv in die Diskussion und Vorgänge ein.

Hier ging es mir eher darum, die Interaktion in der Gruppe zu fördern, als die Geschichte voran zu bringen. Der Informationsfluss war meiner Meinung nach kein wesentliches Problem, eher dass jeder sein eigenes Süppchen gekocht und das Ergebnis den anderen zum Kosten vorgesetzt hat, anstatt gemeinsam zu kochen - "viele Köche verderben den Brei" gilt nicht beim Rollenspiel!

Beispiel: Imber und Elan gehen zur Adjutantin des Prinzen um sie von der Gefahr zu warnen. Das geht schief, weil keiner von beiden die notwendige Etikette oder Überzeugungskraft besitzt. Sie hätten sich zum Beispiel an einen etwas redegewandteren Kameraden (z.B. Orlando oder Cusberto) oder eine Bekannte des Prinzen (Suleika) wenden können, um Unterstützung zu bekommen.

Anderes Beispiel: Arkasius zieht sich zurück, um zu forschen und lehnt angebotene Hilfe ab, weil sie "stört". Orlando und Arkasius forschen parallel nach denselben Informationen. Wäre es nicht interessanter (und klüger!) gewesen, wenn sie sich abgesprochen und Themengebiete aufgeteilt hätten? Für so etwas würde ich zum Beispiel durchaus Boni auf den Wurf geben.

Jetzt kann man natürlich sagen: "Das würde mein Charakter nicht tun!" Das ist meiner Meinung nach aber ein Scheinargument, weil jeder Spieler volle Kontrolle über die Entscheidungen und Charakterzüge seiner Figur hat. Die Frage ist dann, warum spiele ich überhaupt in einem interaktiven, höchst-sozialen Gruppenspiel einen Typ, der "so etwas nicht tun würde"?

Meine €0.02.
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Dirk wrote:Klar sollten die Fähigkeiten der einzelnen Gruppenmitglieder möglichst optimal eingesetzt werden. Es entspricht aber dem Charakter eines Kämpfers durchaus, schnell und selber die Entscheidung herbeiführen zu wollen. Verstehe ich.

Nebenbei: Arkasius wollte sich nicht nicht helfen lassen - er wollte nur nicht eine Segnungszeremonie erhalten, da er gerade miten in die Bücher vertieft war. Im Endeffekt hat er um des lieben Friedens willen das dann doch mitgemacht, weil ein penetranter Geweihter sich sonst geweigert hätte, ihn arbeiten zu lassen. Na ja..

Der Spielleiter muß damit rechnen, das Spieler ihre Charaktere auch spielen und nicht nur die Gruppe, deswegen macht man Charaktere und nicht ein sechsfaltiges Wesen, welches dann wahrscheinlich eh in meiner WfbM landen würde wegen psychischer Verhaltensausffälligkeiten
Dirk wrote: Dann will ich als blutiger Laie einmal versuchen, auch meine Gedanken zur Rollenspieltheorie darzulegen und diese mit Beispielen aus dem letzten Spiel zu schmücken – alles nett und konstruktiv bitte verstehen.

Spielleiter (SL) denken sich schöne, spannende Geschichten aus und möchten diese gerne mit anderen durchspielen. Spieler (S) denken sich zusammen mit dem SL interessante Charaktere aus, die sie gerne spielen wollen.

Die Kunst ist nun, gemeinsam zu spielen und dabei Spaß zu haben. Dies gelingt gut, wenn sowohl SL als S ihre Interessen ausleben können, in den Grenzen, die die Interessenauslebung der anderen Spielteilnehmer setzen. Regeln sind dabei Nebensache, Technik.

Ich glaube, ein SL hat Spaß, wenn die Geschichte sich gut entwickelt und er seine Welt, seine Vorstellungen, was dort geht und was nicht, wieder findet. Und wenn alle Spaß hatten.

Ich glaube, ein S hat Spaß, wenn das von oben eintritt und er mit seinem Charakter (PC) ein gutes Spiel hatte, zum Einsatz kam, etwas Spannendes tun konnte, alleine oder am besten mit der Gruppe. Ich glaube nicht, dass Streit und ewige Diskussionen in der Gruppe auf Dauer Spaß machen.

Aufgabe des SL ist es, das setting zu und die PC in die Geschichte zu bringen. Dabei kann ein S helfen, wenn es anders nicht geht. Die Incentivierung von außen hilft aber. Ansonsten siehe meine Ausführung zu Helden und deren Intentionen.

Dann sollten die PC die Chance haben, miteinander zu wirken. Am konkreten Beispiel ist folgendes festzustellen:

Imber war mehr oder weniger an ihre Aufsichtsrolle „gefesselt“ und hatte kaum die Möglichkeit, sich in die wissenschaftlichen Erwägungen und Diskussionen einzubringen. Auch der politische Rahmen war ihr nicht vertraut. Gleiches gilt für Elan (Merdoc). Cusberto hatte über die Musik einen Zugang – die war aber im zweiten Teil eher nebensächlich. Orlando konnte auf Grund seiner Ortskenntnisse und des klerikalen Hintergrundes mitmischen, Arkasius wegen seiner magischen Fähigkeiten.

Soleika wurde neu eingeführt und war an den Prinzen gebunden. Die PCs kannten Soleika nicht, es gab ein Verschwörungshintergrund und Beeinflussungstatbestände. Soleika verbarg etwas und es war vorhersehbar, dass Arkasius dies auf Grund seiner magischen Spezialisierung erkennen würde. Es ging um den Schutz des Prinzen, Soleika tauchte dort unvermittelt auf. Als das Verschwiegene zur Sprache kam, wurde es nicht geklärt sondern Grundvertrauen erwartet.

Daß die PCs kaum zusammen waren, lag im setting, dass der SL gewählt hat. Fast alle hatten gute Gründe, das zu tun, was sie taten. Will dies der SL im Sinne der Gruppe anders, sollte er die durch eine äußerliche Incentivierung herbeiführen, z.B. der Auftrag, einer wird entführt und alle wollen ihn retten, Bedrohung der Gruppe insgesamt etc..

Ist das setting aber so wie es war, werden sich PCs entsprechend verhalten – dafür ist die Gemeinsamkeit gut gelungen. Es ist nicht Aufgabe der S, vom charaktertypischen Verhalten des PC gravierend abzuweichen, weil ansonsten die Geschichte nicht funktioniert. Ein PC darf sterben, eine Geschichte darf nicht funktionieren – auch wenn dies die Ausnahme sein sollte. Ein S sollte im Zweifel, wenn es nicht entscheidend ist, die Abwägung für die Gruppe vornehmen – Beispiel: Soleika macht weiter mit obwohl ihr Arkasius nicht traut, Arakasius lässt sich segnen obwohl er gegen seinen Willen „besegnet“ werden soll, Elan geht in die Kneipe und sucht nach etwas, was ihn im Grunde nicht interessiert (siehe „Helden“), bricht dann aber ab. Usw.

Es ist also ein Miteinander, das aber auf dem setting aufbaut, aufbauen muß, weil es die Geschichte ist, die sich der SL ausgedacht hat. Ist diese für einzelne PCs zu kompliziert (politischer Hintergrund und Indizien, die ins Leere laufen – Demos) und sind die PCs entsprechend ihrer Aufgaben und Fähigkeiten an verschiedene Orte gebunden, ist es nicht klar, dass die Bösen auch die Bösen sind (warum sollte eigentlich ein „grauer Magus“, der pazifistisch veranlagt ist, einen „schwarzen Magus“, der noch nichts beweisbar Böses getan hat, angreifen?? Warum sollte dies ein nandusgeweihter tun??), wird es schwierig, alle zusammen zu halten. Daß dies dann dennoch leidlich gelingt, ist von S zu erwarten, soll es mehr sein, muß der SL dies anders dirigieren.

Ich bin gespannt ;-)
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Dirk wrote:Der Spielleiter muß damit rechnen, das Spieler ihre Charaktere auch spielen und nicht nur die Gruppe, deswegen macht man Charaktere und nicht ein sechsfaltiges Wesen, welches dann wahrscheinlich eh in meiner WfbM landen würde wegen psychischer Verhaltensausffälligkeiten
Ja, aber es liegt in (auch) in der Verantwortung des Spielers einen "geeigneten" Charakter zu spielen, der den anderen Spielern (inklusive Spielleiter) Spass bereitet. Das sehe ich inzwischen als wichtigen Punkt für eine gelungene Runde: Jeder ist sowohl Unterhalter als auch Publikum.
Dirk wrote:Spielleiter (SL) denken sich schöne, spannende Geschichten aus und möchten diese gerne mit anderen durchspielen. Spieler (S) denken sich zusammen mit dem SL interessante Charaktere aus, die sie gerne spielen wollen.
Das würde ich etwas weiter fassen: Ich denke mir eine Rahmen aus, in dem spannende Geschichten stattfinden können. Ohne Spieler gibt es keine Geschichte. Spieler können sich nicht nur einen Charakter erstellen, sondern auch eine Idee von der Geschichte haben, die diese erleben (im Sinne einer Charakterentwicklung). Man kann ja zum Beispiel schon im Kampf haben, dass man die klassische "vom Bauerntölpel zum Ritter" oder "Versuchung der Macht auf dem Weg zur Weisheit" Geschichten erleben möchte.
Dirk wrote:Die Kunst ist nun, gemeinsam zu spielen und dabei Spaß zu haben. Dies gelingt gut, wenn sowohl SL als S ihre Interessen ausleben können, in den Grenzen, die die Interessenauslebung der anderen Spielteilnehmer setzen. Regeln sind dabei Nebensache, Technik.
Ganz genau. Deshalb ist es sehr wichtig, von allen Beteiligten zu wissen, was sie denn für Interessen haben. Die können ja sehr unterschiedlich sein.
Dirk wrote:Ich glaube, ein SL hat Spaß, wenn die Geschichte sich gut entwickelt und er seine Welt, seine Vorstellungen, was dort geht und was nicht, wieder findet. Und wenn alle Spaß hatten.
Zusätzlich habe ich auch ungeheuren Spass daran, wenn ich Vorstellungen und Ideen der Spieler mit in den Rahmen einfließen lassen kann, die meine eigenen Vorstellungen von der Geschichte verändern, erweitern und bereichern. Toll ist es ebenso, wenn ich mich ein wenig zurücklehnen und dynamischer Interaktion zwischen den Charakteren zuschauen kann. Unschön ist, wenn diese Interaktion auf der Stelle tritt. Der Spielleiter ist auch Publikum!
Dirk wrote:Aufgabe des SL ist es, das setting zu und die PC in die Geschichte zu bringen. Dabei kann ein S helfen, wenn es anders nicht geht. Die Incentivierung von außen hilft aber. Ansonsten siehe meine Ausführung zu Helden und deren Intentionen.
Das ist mir fast ein wenig zu viel Verantwortung für den Spielleiter. Den PC in die Geschichte zu bringen ist meiner Meinung nach gleichermaßen Aufgabe des Spielers und Spielleiters.
Dirk wrote:Es ist also ein Miteinander, das aber auf dem setting aufbaut, aufbauen muß, weil es die Geschichte ist, die sich der SL ausgedacht hat. Ist diese für einzelne PCs zu kompliziert (politischer Hintergrund und Indizien, die ins Leere laufen – Demos) und sind die PCs entsprechend ihrer Aufgaben und Fähigkeiten an verschiedene Orte gebunden, ist es nicht klar, dass die Bösen auch die Bösen sind (warum sollte eigentlich ein „grauer Magus“, der pazifistisch veranlagt ist, einen „schwarzen Magus“, der noch nichts beweisbar Böses getan hat, angreifen?? Warum sollte dies ein nandusgeweihter tun??), wird es schwierig, alle zusammen zu halten. Daß dies dann dennoch leidlich gelingt, ist von S zu erwarten, soll es mehr sein, muß der SL dies anders dirigieren.
Ich will gar nicht die einzelnen Beispiele diskturieren. Grundsätzlich ist es natürlich wesentlich schwieriger bei inhomogenen Charakteren mit sehr unterschiedlichen Rollen eine gemeinsame Handlung zu bekommen - besonders wenn es keinen äußeren Anlass für diese gibt (z.B. ein Auftraggeber). Werde ich mir für das nächste Mal merken. ;)
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Cusberto
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Cusberto »

Hallo alle zusammen,

ich will mal kurz in die Diskussion eingreifen, ohne allerdings den originalen Blog-Beitrag vollständig gelesen zu haben. Dazu will ich zwei Szenen rausgreifen, die ich als "grenzwertig" bzw. nicht so gelungen empfunden habe. Und bitte: das ist nicht persönlich gemeint. Es geht hier darum, exemplarisch zwei Punkte zum Thema rauszupicken :geek:

1. Arkasius weigert sich mit Suleika zusammenzuarbeiten. Das war aus Sicht der Geschichte - früher hieß das mal Plot - nicht wirklich glücklich. Aus Sicht des Charakters mag das aber ok sein. Ich habe auch zwischendrin mal gestockt, warum wir jetzt eigentlich mit ihr zusammenarbeiten sollen. Die Antwort war für Cusberto aber relativ einfach. Sie war die einzige direkte Beziehung zum Prinzen und damit - für Cusberto - zum Mäzen und letztendlich zum Geld. Aus dieser Sicht war die Zusammenarbeit einfach. Für Arkasius sah das sicher anders aus, woraus sich jetzt der eigentliche Konflikt ergibt, gruppendienlich zu spielen oder seinen Kopf durchzusetzen. Dieses Problem ist für mich immer ein fundamentales im Rollenspiel gewesen. Wenn der Charakter einfach keinen Grund mehr findet, mit den anderen einen Raum zu teilen, dann funktioniert das ganze Spiel nicht mehr. Ich hätte - anstelle von Dirk - wahrscheinlich die Kröte geschluckt, dass die Dame mir etwas Wichtiges vorenthält, um die Geschichte voranzubringen. Auf der anderen Seite hätte der Charakter aber einen gutgläubigen Eindruck erweckt, was nicht fürchterlich glaubwürdig gewesen wäre.

2. "Ich lasse keine Simulation laufen. Wenn ihr da hingeht, passiert auch was." Das ist schon sehr "Burning Wheel". Ich bitte als Spieler natürlich darum, dass etwas passiert. Für mich war aber zu dem Zeitpunkt der Verbindung mit dem Kontor nicht klar, dass die Borbaratianer drauf und dran sind ihre Siebensachen zu packen. Dem entsprechend entsteht für mich das Bild, dass ein Kontor mitten in der Nacht so aussieht, wie so etwas üblicherweise aussieht. Vielleicht zwei bis drei Wachen und sonst gar nichts. Deswegen bin ich nicht hingegangen. Aus Sicht der Geschichte ist es natürlich vollkommen in Ordnung, dass etwas passiert. Aus meiner Sicht hat das aber nicht sonderlich realistisch gewirkt.

Vielleicht beschreiben die Punkte aus der Sicht der Spieler als auch aus der Sicht des Spielleiters, dass es schließlich um eine Balance zwischen Geschichte und Realismus geht. Es gibt auch durchaus Spieler, die den Ansatz vertreten, zu sagen "Wenn ich mit einem Schwert nicht umgehen kann, wie kann ich dann einen Charakter spielen, der das kann". Das ist für mich ein Punkt, der absolut nicht haltbar ist, weil die Anzahl der Spieler, die einen Geweihten spielen können, sich damit auch aufgrund mangelnder Alt-Garethi-Kenntnisse deutlich reduzieren wird. Auf der anderen Seite kann ein Spieler, der weiß, wie man mit einem Schwert umgeht, niemals wieder einen Charakter spielen kann, der das nicht weiß, weil er aufgrund seines Wissens, dass durch den Charakterbogen nicht "gedeckt" ist, immer einem Spieler, der einen Meisterkrieger spielt, aber nicht weiß, wo bei einem Schwert das scharfe Ende ist, voraus sein wird.

Schließlich muss die Mischung stimmen. Der Charakter muss motiviert sein, mit den anderen Spielercharakteren zusammenzuarbeiten, während der Spielleiter nicht notwendigerweise nur Railroading betreiben muss, damit alle Spielerhandlungen auch eine Kosequenz haben.

Also das waren meine $0.02

Thomas

Edit: Bevor jetzt irgendwelche Unklarheiten aufkommen: es hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich bin jederzeit gerne wieder dabei.
Last edited by Cusberto on Fri Feb 20, 2009 8:35 am, edited 1 time in total.
Arel glin Kano
Posts: 6
Joined: Thu Feb 19, 2009 11:12 pm

Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Arel glin Kano »

zwei gute Beispiele.

Zum ersten:

Ich habe mir durchaus überlegt, ob Arkasius dies einfach sein lassen soll, hielt jedoch den gefundenen Weg für akzeptabel. An dieser Stelle hätte ich mir ein Einwirken des SL gewünscht - Arkasius hatte aus diesem Grund ein Vier-Augen-Gespräch mit Soleika vorgeschlagen und wäre in jedem Fall zufrieden zurückgekehrt. Alle Gesichter wären gewahrt gewesen. Die Vorstellung aber, daß bei Beherrschungstatverdacht und Beeinflussungsplot der Magier, der gerade darauf spezialisiert ist, solches zu erkennen, dies erstens erkennt und dann zweitens es bewußt ignoriert, erschien mir recht abwegig zu sein. Auch Soleika hätte der Gegner sein können! Dann hätte ich nachher gesagt, "ja, ja, ich habe es ja gewußt, aber im Sinne des Spiels den Mund gehalten"?! Solche Situationen sollten seitens des SL geklärt werden, wenn der S a) einen guten Grund hat für seine Aktion und b) dies aber die ganze Gruppe behindert und deswegen falsch ist. "Bei einer weiteren Untersuchung erkennt Arkasius, dass die Magiebegabung das und das ist und harmlos, weil keine Beherrschung", in einem 4-Augen-Gespräch klären Soleika und Arkasisus das, etc. - wäre leicht zu lösen, muß aber getan werden.

zum zweiten:

Ich habe überhaupt nicht gerechnet, dass da gerade zufällig wenn wir kommen am Lagerhaus was ab geht. Ich sah überhaupt keine Eilebedarf - gerade vorher noch war Elan erklärt worden, er solle sich bloß raushalten. Nichts deutete auf Abbruch und Eile hin. Wir hätten auch noch viel mehr erfahren können und fingen gerade an, miteinander darüber zu diskutieren - der Wirt z.B. oder Isidora.
Das war dann aber alles unwichtig und wir haben sie einfach gefunden und angegriffen. Erschloß sich mir nicht.

Zu Ralf:

Der SL führt die Story! Führung heißt immer Verantwortung zu übernehmen, dafür ist es der SL und dies ist von den S zu akzeptieren. Natürlich müssen die S sich selber Gedanken machen, wie sie sich einbringen. Und klar sollte man einen PC spielen, der auch reinpaßt - hier waren die aber alle schon in ihrer Unterschiedlichkeit da.

Sicherheitshalber:

Es hat Spaß gemacht!
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Merdoc
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Joined: Thu Feb 19, 2009 9:45 pm

Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Merdoc »

Hi !

Danke an den Meister für seine Registrations-Unterstützung.

Also ehrlich gesagt, haben wir an unserem zweiten Abend furchtbar herumgeeiert.
Wenn man sich überlegt, daß da mehr als 100 Jahre Rollenspielerfahrung zusammen saßen, war es doch schon seltsam, wie wenig es vorwärts ging.
In unserer "regulären" Ralf Truppe herrscht - so meine ich - eine recht hohe Schlagzahl und so war es sehr ungewohnt, so auf der Stelle zu treten.
Aber vielleicht lag es ja auch an der latenten Sorge, dass wir unseren Spielleiter zu schnell leergespielt haben könnten :)

Zumindest musste Ralf ja geradezu Infusionen legen, damit wir auf den richtigen Weg kamen.

Ich für meinen Teil habe eigentlich bis kurz vor dem Abpfiff nicht wirklich erkannt, wo das wirkliche d.h. zu lösende Problem begraben liegt (nach müde kommt ja bekanntlich doof).
Zwar waren nach der Erkenntnis, dass da irgendwo Schwarzmagier rumgurken, die gelbe Leuchte an, aber spätenstens als der Obermagier bemerkte, dass man "sensibel vorgehen müsste" und nicht mit Feuer und Schwert zur Inquisition schreiten sollte, wurde die Gefahr relativiert.
Und als der Prinz nach der Information über die Natur von Isodoras Magie auch nur ein wenig gegrübelt hat und nicht den roten Alarm ausgelöst hat, konnte ich mir nur sagen "jeder liegt so wie er sich bettet". Als Mann mit eingeschränkter Freundschaft zur Adelsbrut fühlte sich Elan dann nicht wirklich im Zugzwang.
Zudem war der Gedanke ohne magische Fähigkeit Magie bewirken zu können - auch wenns an die Substanz geht - zumindest interessant.

Die eventuellen zusätzlichen Hintergründe, die irgendwie gesteuerten Unruhen und die Rolle und die Ziele des reichen Schnösels überlagerten den für uns aktuell relevanten Plot. In diesem Zusammenhang wirkte Isodora nur als wenig bedrohlicher Teilaspekt.

Diese doch unklare äussere Lage, die unterschiedlich eingebundenen Charaktere mit unterschiedlichen Grundmotivationen, NPCs, die potentielle Gefahren/Bedrohungen durch ihr Verhalten relativierten und das Fehlen eines wirklichen "Patrons" oder Auftraggebers führten dann doch dazu, daß wir ein wenig ziellos wie Hühner durch die Gegend gelaufen sind.

Nach dem sehr interessanten grauen Gedankengut, was sich so ein wenig breit machte und zunehmend als nicht-Bedrohung wirkte, fiel meiner Meinungs nach unsere Story am Ende bedauerlicherweise in das klischeehafte Schwarz-Weiss Duell: die Borbaradianer (oder so ähnlich) fliehen (wieso eigentlich), werden gewalttätig und lassen dann wieder den gewohnt bösen Schwarzmagier raushängen.
So ganz genau weiss ich auch immer noch nicht, für was für eine Verschwörung man die "Bösen" eigentlich anklagen will.

Was das Zurücktreten hinter die Interessen des Charakters zum Wohle des Spiels angeht, so mag das ja in gewissen Umfang ok sein.
Das Verfahren, etwas dem Charakter und der Spiellogik völlig Widersprechendes zu tun, halte ich für weniger gut.
Das ist so eine Brechstangenmethode, die ja auch nur funktioniert, wenn man sicher sein kann, daß das Spiel dadurch vorwärts kommt.
Die Verwendung von bestimmten Automatismen bei Plot sind sicher grundsätzlich hilfreich.
Man muss aber wahrscheinlich aufpassen, daß da nicht zu sehr offenbar wird, dass es "nur" ein Automatismus ist, sonst kommt der Eindruck auf eine NWN Modul zu spielen.

Also, zusammengefasst war da doch ein wenig Sand im gemeinsamen Getriebe des Spielbetriebs.

Aber wir haben ja noch ein paar Jahrzehnte um in dieser Gruppe daran zu arbeiten :)

Beste Grüsse,

Merdoc
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Arel glin Kano wrote:Der SL führt die Story! Führung heißt immer Verantwortung zu übernehmen, dafür ist es der SL und dies ist von den S zu akzeptieren. Natürlich müssen die S sich selber Gedanken machen, wie sie sich einbringen. Und klar sollte man einen PC spielen, der auch reinpaßt - hier waren die aber alle schon in ihrer Unterschiedlichkeit da.
Das klingt mir jetzt aber sehr nach Management-Seminar. Ich bin nicht der Chef oder Anführer der Gruppe. Die alleinige (!) Verantwortung für eine funktionierende Story lehne ich ab - und wollte sie auch keinem Aufbürden. ;)

Ja, die Charaktere waren vorher dar, aber man hat ja auch mit einem bestehenden Charakter Bewegungsspielraum, wie man ihn auslegt.

Ich will ja gar nicht, dass nur Charaktere ohne Ecken und Kanten, die immer im Team arbeiteten, gespielt werden. Ich will nur, dass die Spieler sich bewusst sind, dass auch sie eine Verantwortung haben, das Spiel in der Gruppe zu fördern. Aber auf keinen Fall unter Ignorierung von Logik und Glaubwürdigkeit; das ist bei uns ja doch die Basis des Spiels.
Cusberto wrote:2. "Ich lasse keine Simulation laufen. Wenn ihr da hingeht, passiert auch was." Das ist schon sehr "Burning Wheel". Ich bitte als Spieler natürlich darum, dass etwas passiert. Für mich war aber zu dem Zeitpunkt der Verbindung mit dem Kontor nicht klar, dass die Borbaratianer drauf und dran sind ihre Siebensachen zu packen. Dem entsprechend entsteht für mich das Bild, dass ein Kontor mitten in der Nacht so aussieht, wie so etwas üblicherweise aussieht. Vielleicht zwei bis drei Wachen und sonst gar nichts. Deswegen bin ich nicht hingegangen. Aus Sicht der Geschichte ist es natürlich vollkommen in Ordnung, dass etwas passiert. Aus meiner Sicht hat das aber nicht sonderlich realistisch gewirkt.
Leider war es so, dass ich an dem Punkt die Handlung erheblich beschleunigen musste, damit wir fertig werden konnten. An sich hatte in meiner Vorstellung hier noch eine andere Entwicklung reingehört, die ich ausfallen lassen musste. Daher war die plötzliche Entwicklung eine Notlösung und sicherlich zu heftig. Ich schieb's auf schlechte Planung des SL und die Umstände. ;)

Aber wenn ich schon so deutliche Hinweise auf eine Örtlichkeit fallen lasse, glaubt ihr da wirklich, dass da nichts herauszufinden ist? Wenn man eine Spur hat, dann sollte man ihr nachgehen, auch wenn sie vielleicht auf den ersten Blick nicht so super erfolgsversprechend ist. Kostet ja nichts.

Ich muss meinen Spruch natürlich etwas relativieren: Ich beziehe mich dabei natürlich auf mein unsägliches Erlebnis bei einem Con-Abenteuer, wo der Spielleiter (ein echter Simulationist) uns wörtlich erklärte, dass unsere Helden eine Viertelstunde zu spät seien, und damit das Abenteuer vorbei. Wenn ihr unmotiviert sagt, ihr geht auf den Friedhof um mal nachzusehen, ist es natürlich unwahrscheinlich, dass dort etwas Besonderes passiert. Aber wenn ihr wie auch immer gearteten Hinweisen nachgeht, ist es unwahrscheinlich, dass ich obstruktiv werde und euch ins Leere laufen lasse.

Vielleicht zerstöre ich damit alte Illusionen, aber ich habe keinen festen Zeitplan oder genaue Abläufe für die "Schurken" im Kopf an die ich mich halte, sondern ich gestalte die in dem Augenblick so, dass sie sich möglichst passend (dabei aber noch logisch) mit den Aktionen der Spieler überschneiden.

Aus meiner Sicht war der Abbruch der Aktion durch die "Bösen" in dem Moment wahrscheinlich die logischste Reaktion, und das Treffen im Kontor auch, weil das ihr Hauptquartier war. Das ihr das Treffen miterlebt, war natürlich der Dramaturgie geschuldet - es wäre wahrscheinlicher gewesen, dass es vielleicht eine Stunde vorher oder später stattgefunden hätte. Aber das so zu machen, wäre ja wohl die Spitze der Idiotie.

Dramaturgisch wäre es mir natürlich viel lieber gewesen, ich hätte die Story so weiterlaufen lassen können, wie ursprünglich geplant. Aber dafür wären mindestens zwei weitere Stunden notwendig gewesen, die wir einfach nicht hatten. Die Macht der Umstände.
Merdoc wrote:Was das Zurücktreten hinter die Interessen des Charakters zum Wohle des Spiels angeht, so mag das ja in gewissen Umfang ok sein.
Das Verfahren, etwas dem Charakter und der Spiellogik völlig Widersprechendes zu tun, halte ich für weniger gut.
Das ist so eine Brechstangenmethode, die ja auch nur funktioniert, wenn man sicher sein kann, daß das Spiel dadurch vorwärts kommt.
Die Verwendung von bestimmten Automatismen bei Plot sind sicher grundsätzlich hilfreich.
Man muss aber wahrscheinlich aufpassen, daß da nicht zu sehr offenbar wird, dass es "nur" ein Automatismus ist, sonst kommt der Eindruck auf eine NWN Modul zu spielen.
Ich möchte auch nichts völlig der Logik der Welt Widersprechendes tun, und ich erwarte auch von niemanden, die Grundzüge seines Charakters für den Spielfluss über Bord zu werfen. Innere Logik und Glaubwürdigkeit sind für mich Grundpfeiler des Spiels. Wenn es die nicht mehr gäbe, hätte ich bestimmt keinen Spass mehr an der Sache.

Ich will nur den Sinn dafür schärfen, dass diese Dinge auf der anderen Seite nicht den Spielspass ausbremsen dürfen. Wie in allen Dingen kommt es auf die Balance an. Ihr wisst das ja auch alles. Mein Gefühl war nur, dass es gut getan hätte, bei diesem Mal das Gewicht ein wenig mehr in Richtung Gruppenspiel zu schieben - sowohl von der Story-Seite, als auch von Seiten der Charaktere her.
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Merdoc »

Hi !

Ralf musste also die Handlung beschleunigen.
D.h. wir haben zu lange an dem komplexeren Handlungstrang gearbeitet, ohne diesen hinreichend zu ergründen, und der Not-Handlungsstrang war ggf. so gradlinig, daß wir in Erwartung tiefverzweigter Zusammenhänge nicht so richtig in diese Richtung gelaufen sind :)

Für die Runde im nächsten Jahr wird Ralf uns einen guten alten Dungeon-Crawl vorbereiten, auf den wir uns direkt intellektuell einphasen können :)
Geil !

Beste Grüsse,

Elend, oder so ähnlich ....
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