DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Morgens
Zwei der Soldaten nähern sich Gartan mit gezückten Waffen, während der
dritte einen Bogen schlägt, um von der Seite an Morten heran zu kommen.
"Wir haben sie! Hier!" brüllt einer von ihnen in den Wald, während er mit
einer gefährlich aussehenden Axt in Richtung Garthan fuchtelt. Sein
Kumpan, sein Breitschwert in der Hand, macht ein paar Schritte zur Seite,
um Garthan in die Flanke zu fallen.
Morten schwingt seine Schleuder, und ein Stein zischt durch die Luft. Der
dritte Soldat gibt ein unterdrückten Aufschrei von sich und faßt sich ans
Bein, kommt dann aber doch näher.
Ein dicker Ast kommt von der Böschung herabgeflogen und streift den Mann
mit dem Schwert am Helm. Dieser schaut den Hang hinauf, von wo Gwendon den
Ast geworfen hat. Garthan nutzt den kurzen Moment, in dem er abgelenkt ist,
springt nach vorne und schwingt seinen Anderthalbhänder gegen den
verblüfften Gegner. Dieser versucht noch seinen Schild hochzureißen, aber
es ist zu spät. Die Klinge gräbt sich knirschend durch die Rüstung in
die Seite des Soldaten, und er geht mit einem dumpfen Aufstöhnen zu Boden.
"Ich komme!" ertönt Malvins Stimme von oben, und er beginnt so schnell wie
möglich den Hang hinunter zu klettern.
Garthan hat wenig Zeit darauf zu achten, denn mit einem Wutschrei attackiert
ihn nun der Axtträger. Aber der Hieb ist zu geradlinig, und es fällt ihm
nicht schwer, die Axt mit dem Schild abzulenken. Garthan führt noch einen
schnellen Schlag gegen die Beine des Gegners, den dieser jedoch pariert.
Morten hat seine Schleuder fallen gelassen und zieht sein Kurzschwert, denn
der dritte Soldat kommt ihm nun gefährlich nahe. Ein Schweißtropfen fällt
von seiner Stirn. Doch die Augen seines Gegners starren schreckerfüllt
über Mortens Schulter auf Garthan und den Axtträger.
Garthans nächster Hieb hat sein Gegenüber vollkommen überrascht, ist an
dessen Deckung vorbei gegangen und hat den rechten Arm glatt vom Körper
getrennt. Der Soldat starrt einen Moment auf den blutenden Stumpf und sackt
dann in sich zusammen.
Morten nutzt die Gelegenheit und attackiert mit dem Kurzschwert, aber der
Stoß gleitet von der Rüstung seines Gegners ab. Dieser wird aus seiner
Schreckenstarre gerissen und dreht sich um, um in den Wald zu fliehen.
Morten führt noch einen letzten Schlag nach dem Fliehenden, verfehlt ihn
jedoch. Dann läßt er ihn laufen.
Als Malvin am Fuß der Böschung ankommt, ist schon alles vorbei. Der Graf,
der kurz darauf folgt, schaut Garthan erstaunt an.
"Ihr führt eine mächtige Klinge." Zu Malvin gewandt meint er: "Vielleicht
sollten wir anhalten und kämpfen."
Aber dieser schüttelt den Kopf. "Zu gefährlich mit den Bogenschützen.
Eure Sicherheit geht vor, Herr Graf."
"Aber wir können nicht ewig davonlaufen."
"Ich weiß eine Möglichkeit, wie wir sie abhängen können. Vertraut mir!"
In diesem Moment kommen Turras und der Gardist den Hang herunter
geschlittert.
"Sie werden gleich da sein," stößt Turras atemlos hervor. "Ich habe den
vordersten mit der Schleuder erwischt, aber das wird sie nicht lange
aufhalten."
"Dann folgt mir. Schnell!" sagt Malvin und wendet sich in den Wald hinein.
Turras und Gwendon halten sich in der Nähe des Grafen, während Garthan
diesmal den Schluß bildet. Ein paar Pfeile zischen von der Böschung durch
die Bäume herab, aber die Schützen könne durch die Baumwipfel kaum
vernünftig zielen. Niemand wird verletzt.
Während ihr durch den Wald hetzt, hört ihr rechts, links und hinter Euch
Rufe, mit denen sich Eure Verfolger verständigen. Aber der Weg direkt vor
Euch scheint frei zu sein. Der Boden hat noch eine Weile Gefälle, beginnt
dann aber wieder zu steigen. Morten, der sich knapp hinter Malvin hält,
ist erstaunt mit welcher Gewandheit und Ausdauer sich der massige Mann vor
ihm bewegt. Obwohl dieser einige Jahre älter aussieht und eine Rüstung
trägt, fällt es dem jungen Baumeister schwerer und schwerer, das Tempo
mitzuhalten.
Aber bevor Morten anfängt zurückzufallen, hält Malvin vor einem
ausgedehnten Brombeergestrüpp an, das sich den steiler werdenden Hang
des nächsten Hügels hinaufzieht. Sofort beginnt er, mit seinem Schwert
methodisch einen Weg durch die Sträucher zu bahnen. Turras hilft ihm,
sobald er angekommen ist. Nervös lauschen die anderen auf die Geräusche
der näherkommenden Verfolger. Schließlich erreichen Malvin und Turras
eine Senke in der Flanke des Hügels, an deren gegenüberliegender Seite
eine schmale Höhlenöffnung zu sehen ist. Malvin zwängt sich durch diese
hindurch.
Kurz darauf ertönt seine Stimme: "Turras, komm!"
Schnell folgt ihm Turras und findet sich am Anfang eines leicht abwärts
führenden Ganges. Nach nur zwei Schritten ist dieser jedoch von einer
Steinmauer versperrt. Malvin ist dabei, die Steinmauer zu untersuchen.
"Hier," sagt er und deutet auf die linke Seite der Mauer. "Hier hat die
Mauer keinen Mörtel. Hilf mir, sie aufzustemmen."
Gemeinsam lehnen Malvin und Turras sich gegen die roh übereinander
gestapelten Steine, und nach einer kurzen Anstrengung poltern diese in den
finsteren Gang dahinter.
Einer nach dem anderen zwängt ihr Euch durch die Höhlenöffnung und die
Lücke in der Mauer und stolpert in die Finsternis dahinter. Eure Kleidung
und ist von den Stacheln der Brombeersträucher zerfetzt.
Plötzlich ist Malvins Stimme in der Dunkelheit zu hören, die einen
Zauberspruch murmelt. Und dann breitet sich ein schwaches Leuchten von
dem Stein aus, den Malvin in der Hand hält, und erhellt Eure Umgebung.
Der Gang mündet in eine größere Kammer, von deren Decke die Wurzeln der
Bäume herabhängen. Der Boden ist uneben und mit Pfützen bedeckt; Wasser
tropft von den Wurzeln und der Decke herab. Aber die Kammer ist eindeutig
künstlichen Ursprungs. Die Reste von Stützbalken, jetzt morsch und völlig
zerfressen, sind in regelmäßigen Abständen an den Wänden zu sehen. Das
Licht reicht nicht bis an das andere Ende der Kammer, sie verliert sich
in der Dunkelheit.
"Hier müssen wir anhalten und unseren Verfolgern eine Lektion erteilen,"
meint Malvin.