DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Morgens
"Verzeiht", erklingt plötzlich Mortens Stimme, "aber ich bin durchaus der
Meinung dieses Malvin."
Er scheint selber überrascht, daß dieser Satz über seine Zunge gekommen ist.
"Ich denke wir sollten hier auszuharren. So wenig ich über die
Hintergründe des eben Geschehenen weiß, so sicher bin ich mir, daß
Einladungen zur Audienz beim König anders aussehen sollten, und dieses nette
Angebot des Turgan wohl nicht gekommen wäre, wenn wir diese Zuflucht nicht
gefunden hätten." Er macht eine Pause und holt tief Luft.
"Aus der hinteren Kammer dringt Luft, wenn auch nicht sehr frische, in diesen
Raum. Von diesen Leuten ausgeräuchert zu werden brauchen wir hier
wahrscheinlich nicht zu befürchten. Wenn sie dieses versuchen, werden wir
wohl einen stärkeren Luftzug in Richtung des Eingangs bemerken. Wir können
den Eingang auch recht gefahrlos verschließen, das heißt einen
Teil zum Einsturz bringen, wenn es sein muß."
Zweifelnd schauen die anderen die Wände und die Decke an, und der Gardist
gibt ein ungläubiges Stöhnen von sich. Aber Morten fährt unbeirrt an
den Grafen gerichtet fort.
"Diese Kammer ist für sich selber stabil genug und die Gänge werden es
wohl auch sein. Ihr habt guten Fels in Eurer Erde. Und wenn dieser Malvin
nicht sehr bald wiederkommt...dann werden wir selber einen Ausgang finden !"
Er macht ein ernstes und sehr entschlossenes Gesicht. Merkwürdigerweise
scheint er sich in dieser dunklen Kammer fast wohl zu fühlen. Vielleicht
ist es aber auch nur die Alternative aus bewaffneten Halunken, die draußen
lauern.
"Das ist meine Meinung zu dieser Geschichte!" Gespannt schaut Morten den
Grafen an.
Auch Turras und Gwendon raten Graf Tamaig vehement davon ab, den Worten
Turgans zu glauben, was diesen schnell davon abbringt, irgendwelche
Zugeständnisse zu machen.
"Wenn Du mich zum König bringen willst, Turgan, mußt Du schon hier
hereinkommen!" ruft er den Soldaten vor der Höhle zu. Es kommt keine
Antwort darauf.
Stattdessen weisen bald darauf Geräusche daraufhin, daß Eure Verfolger
versuchen, vor dem Eingang ein Feuer zu entfachen, um Euch auszuräuchern.
Als sie jedoch schließlich so weit sind, dringt nur wenig Rauch in die
Höhle. Stattdessen verstärkt sich der Luftzug aus dem Innern des Hügels.
Schimpfen und Fluchen von draußen verrät Euch, daß die Schergen des
Königs mehr unter dem Qualm leiden, als ihr.
Nur ein gelegentliches Husten unterbricht das Schweigen, in dem ihr auf
Malvins Rückkehr wartet. Eine halbe Ewigkeit scheint zu vergehen, bis ihr
schließlich Schritte aus dem Gang hört.
Der blasse Schein des Lichztzaubers nähert sich und erhellt Malvins Gesicht
als er herankommt. Gwendon hält erschrocken die Luft an, als er den
Söldnerführer ansieht, und auch die anderen können ihr Erschrecken kaum
verbergen. Der sonst so vitale Kämpfer ist leichenblaß im Gesicht, die
Wangen sind eingefallen und tiefe Schatten liegen unter den Augen. Nur diese
blauen Augen leuchten mit einem fahlen, unnatürlichen Licht. Unwillkürlich
denkt ihr an das Licht von Totenkerzen. Als er spricht, ist seine Stimme
ungewöhnlich leise und irgendwie brüchig. Aber seine Nachrichten strafen
sein Aussehen Lügen.
"Der Weg ist klar. Wir können durch den Berg entkommen. Es wird nur ein
paar Stunden dauern." Ohne eine Reaktion abzuwarten dreht er sich schon
wieder um - bereit, dem Gang in die Finsternis zu folgen.
"ähem!" Morten räuspert sich. "Sollten wir nicht den Eingang
verschließen?"
Malvin wendet sich um. Als er Morten in die Augen schaut, schaudert es diesen
sichtlich. "Sie werden sich kaum trauen, uns zu folgen, so wie ich ihren
Aberglauben kenne. Außerdem wäre es riskant einen Einsturz zu provozieren."
Morten schüttelt den Kopf. "Ich denke, es wäre ohne Probleme und ohne
großes Risiko zu machen."
Einen Augenblick blickt Malvin den jungen Baumeister schweigend an. Dann
zuckt er mit den Achseln und wendet sich ab. "Dann tut es! Es hält uns
unsere Verfolger sicherer vom Hals."
Morten schaut sich den Gang, durch den ihr gekommen seid, noch einmal
genau an und zeigt Garthan und Turras dann die Stellen, an denen sie die
morschen Stützpfeiler zertrümmern sollen. Ein paar kräftige Hiebe, ein
schnelles Zurückspringen, und dann kommt die Decke des Ganges in einer Wolke
aus Staub und Holzsplittern herab. Die Wände der Kammer beben zwar und
einige Ziegel fallen herab, aber die Gesamtkonstruktion bleibt stabil, wie
Morten vorausgesagt hat. Dieser Weg ist verschlossen. Nun bleibt Euch gar
nichts anderes übrig, als Euch der Führung Malvins anzuvertrauen und in
den Hügel hineinzuwandern.