Das gefrorene Laub knirscht unter
Euren Stiefeln, als ihr einer hinter dem anderen den Hang des
Hügels hinaufsteigt. Aufmerksam gleiten Eure Blicke von einer
Seite auf die andere, aber im grauen Dämmerlicht unter den
Bäumen ist nichts Gefährliches oder Ungewöhnliches zu
entdecken. Nur seltsam still ist der Wald, als ob selbst die Tiere
des Waldes gespannt den Atem anhielten.
Auf dem rutschigen Boden verliert Gwendon einmal
fast den Halt, aber der Gardist, der hinter ihm geht, bewahrt ihn vor
einem Sturz. Dankend nickt Gwendon ihm zu. Irgendwie scheint es
unangemessen, die Stille des Waldes mit gesprochenem Wort zu
durchbrechen.
Schliesslich erreicht Ihr die Kuppe des
Hügels, die Bäume lichten sich und Ihr seht die Ruinen vor
Euch. Ein einzelner Torbogen steht noch, ein paar Mauern wehren sich
standhaft gegen den Zahn der Zeit, aber ansonsten sind nur einige
moos- und grasüberwachsene Trümmerhaufen zu sehen.
Über Euren Köpfen verblassen die letzten Sterne im
Morgenlicht. Ein einsames Krächzen einer Krähe ist in der
Ferne zu hören.
Hauptmann Brandon schickt die beiden Gardisten auf
Posten, von denen sie die Hügelkuppe gut überblicken
können, und dann führt der Graf Euch zu dem einsamen
Torbogen, wo er auf einem bemoosten Stein Platz nimmt.
Er schaut Turras an und spricht die ersten Worte
seit Eurem Aufbruch vom Lager. "Jetzt heisst es wohl warten."
Turras nickt. "Ich bin überzeugt, dass Oberst
Malvin nicht lange auf sich warten lassen wird."
...
Jetzt nachdem die Anstrengung des Aufstiegs
vorüber ist, wird Euch die Kälte des Morgens erst richtig
bewusst. Garthan hält sich durch Auf- und Abgehen warm,
während Gwendon sich dadurch abzulenken versucht, dass er sich
die Gemäuer etwas näher ansieht. Nachdem er einige Zeit den
Torbogen begutachtet hat, winkt er Turras zu sich.
"Sieh Dir das an!" sagt er und deutet auf die
Innenseite des Durchgangs.
Ein Relief, das Gwendon vom Moos befreit hat,
zeigt eine ländliche Szenerie, anscheinend im tiefsten Winter.
Bäume und Felder sind von Schnee bedeckt und Schneeflocken
fallen vom Himmeln. Aber am Rande des Bildes, nur noch mühsam
auszumachen, stehen einige Bauern mit Hacken, Pflug und Saatgut. Ihre
Gestalten sehen abgemagert aus und Ihre Mienen zeigen Verzweiflung.
Eine skeletthafte Frau kniet auf dem Boden und betet zu den
Göttern.
Ein scharfes Lufteinziehen des Hauptmanns reisst
Euch aus der Betrachtung des Bildes, und Ihr dreht Euch um. Graf
Tamaig und Camren sind aufgestanden, und Brandon ap Riados hat die
Hand auf seinen Schwertgriff gelegt. Zwischen den Ruinen ist eine
hünenhafte Gestalt aufgetaucht, die sich Euch mit
bedächtigen Schritten nähert. Es ist Malvin.
Der Graf, Camren und Hauptmann Brandon betrachten
ihn neugierig als er sich Eurer Gruppe nähert. Malvin macht
nicht den Eindruck eines gehetzten Flüchtlings. Seine Kleidung
ist robust, und er trägt ein kurzes Kettenhemd, aber
darüber hat er einen teuren, pelzbesetzten Umhang gezogen, und
ein bronzenes Stirnband hält seine feuerroten Haare aus der
Stirn. Seine einzige Bewaffnung ist ein grosses Schwert, das an
seiner Seite hängt. Auf den ersten Blick macht seine grosse und
massige Gestalt, gepaart mit dem kantigen, fast brutalen Gesicht
einen 'barbarischen' Eindruck, aber die Eleganz seiner Bewegungen und
die höfische Verbeugung, die er vor dem Grafen macht, verwischen
dieses Bild wieder.
Aus seinen blauen Augen mustert er die Anwesenden,
und nickt Euch grüssend zu. Dann verneigt er sich noch einmal
kurz vor dem Grafen.
"Ich freue mich, dass Ihr gekommen seid, Herr
Graf. Ich habe Euch einiges mitzuteilen."
Der Graf betrachtet ihn ernst und auch etwas
misstrauisch. "Oberst Malvin, ich bin mir noch nicht sicher, was ich
überhaupt von diesem Treffen halten soll. Verschwendet nicht
meine Zeit!"
Malvin fixiert Graf Tamaig, aber seinem
Gesichtsausdruck ist nicht zu entnehmen, was er bei dieser harschen
Antwort empfindet. "Ich habe Informationen darüber, das
König Geren einige sehr unehrenhafte Dinge gegen die Familie
seines Bruders unternommen habt. Wollt Ihr diese Informationen
hören?"
"Ich bin bereit, Euch anzuhören. Aber ich
muss Euch warnen, das Haus Llannaid ist dem Königshaus eng
verbunden. Ihr müsst schon schlagkräftige Argumente haben,
um mich zu einer Handlung gegen den König zu bewegen. Meine
Anwesenheit hier könnte schon als Hochverrat angesehen
werden."
"Soweit ich weiss, hat Geren noch keine einizge
Anschuldigung gegen mich vorgebracht. Aber ich vertraue gerade auf
Eure Loyalität zum Königshaus, denn ich bin überzeugt
davon, dass der rechtmässige Thronerbe in den Verliesen der Burg
zu Gwynneth schmachtet. Ich habe ..."
In diesem Moment ertönt ein Ruf: "Herr Graf,
Herr Hauptmann!" Zwischen den Ruinen taucht einer der beiden
Wachposten auf - in Begleitung von Morten Essansor. Halb
führend, halb schiebend geleitet der Gardist den Baumeister zu
Eurer kleinen Versammlung.