DATUM: 11. Aleet (Diensttag, Dunkelwoche, Elrani) - Abends
Zuerst machst Du kein sehr glückliches Gesicht. Profit hin, Profit her, das kann übel enden. Je nachdem wer da Krieg führt ... als sich plötzlich doch ein Lächeln auf Deinem Gesicht abzeichnet. Das bedeutet natürlich auf der anderen Seiten, etwas näher bei Aiunn zu sein. Was geschieht wohl mit ihr während der Belagerung bzw. des Krieges?
"Zum Grafen?" Das Lächeln auf Deinem Gesicht nimmt etwas schelmische Züge an. "Wenn Sie mich nicht gleich wieder verhaften!"
In Gedanken bist Du schon beim Besuch auf der Burg. Vielleicht ergibt sich
die Gelegenheit Aiunn zu sehen!
"Gut, wenn der Vertrag mit dem Grafen geschlossen ist, werden wir den
Weg zuende gehen."
Fiarel zieht etwas die Augenbrauen hoch. "Ich habe den Vertrag
abgeschlossen. Es steht Euch frei, davon Abstand zu nehmen, wenn
Ihr Bedenken habt, Herr Navigator."
Du winkst ab: "Nein, nein, so war das nicht gemeint," und räusperst Dich
etwas verlegen. Du vergißt leicht, daß Fiarel in geschäftlichen Dingen
Deinen Rat nicht so bereitwillig entgegennimmt, wie in seemännischen.
"So der Graf wieder da ist, werde ich mich mit ihm, oder wer immer die
Angelegenheit bearbeitet, gerne unterhalten. Das bedeutet dann allerdings,
daß sich das Gerücht bewahrheitet. Hoffen wir das am Ende des Tages noch
genügend Geld in der Kriegskasse ist unseren Kontrakt zu erfüllen..."
Den letzten Satz hast Du mehr vor Dich hingemurmelt, als direkt an Fiarel
gerichtet. Aber auch wenn die Kapitänin ihn gehört hat, reagiert sie nicht
darauf.
"Am besten begebt Ihr Euch so schnell wie möglich zum Grafen. Ich werde auf
jeden Fall auf Euch warten, so daß Ihr mir noch heute Abend berichten könnt,
was der Graf so will."
Du nickst und ziehst Dich aus ihrer Kajüte zurück. Zuerst solltest Du Dich
wohl für den Gang zur Burg etwas besser einkleiden.
...
Du ziehst Deinen Mantel enger um Deine Schultern, als Du den Hügel zur Burg
hinaufsteigst. Es ist empfindlich kalt geworden. Bedrohlich lagert die
gräfliche Festung in der hereinbrechenden Dunkelheit über der Stadt, und
allenthalben ist eine starke Spannung zu spüren. Boten eilen in die Stadt
hinab, und mehrere Abteilungen Gardisten marschieren mit klirrenden Rüstungen
und Waffen an Dir vorbei.
Vom Hügel aus kannst Du jenseits der Stadtmauer zahlreiche Lagerfeuer
erkennen. Offensichtlich sind die Angreifer schon angekommen. Du fragst
Dich, ob sie sich für eine Belagerung einrichten oder nur während der
Nacht lagern, um am nächsten Morgen die Stadt zu stürmen.
Am Tor der Burg wirst Du von einigen Wachen aufgehalten, deren Schroffheit
und Geschäftigkeit nur schlecht ihre Nervosität verbirgt. Nach einer Rückfrage
beim Wachhabenden wirst Du von einem jungen Soldaten hinauf zur
eigentlichen Burg gebracht, wo sich ein Gardist Deiner annimmt und
schließlich in eine Art Wartezimmer bringt. Kohlebecken verbreiten eine
angenehme Wärme und Öllampen erhellen den länglichen Raum, in dessen Mitte
ein langer Teppich zu einer schweren Holztür am anderen Ende führt. Neben
der Tür hält ein Soldat der gräflichen Garde Wache. An den beiden
Längswänden stehen gepolsterte Sitzbänke, auf denen sich weiter hinten zwei
vornehm gekleidete Bürger der Stadt niedergelassen haben und sich leise
unterhalten. Ein Bediensteter tritt auf Dich zu und fragt Dich höflich
nach Deinem Namen und Begehren. Nachdem Du ihm erklärt hast, wer Du bist
und daß Du auf Wunsch des Grafen hier bist, bittet er Dich, noch
eine Weile Platz zu nehmen und zu warten - der Graf werde Dich bald
empfangen.
Die beiden Bürger schauen kurz zu Dir herüber und nicken grüßend, als Du Dich
auf der Bank niederläßt, zeigen aber kein Interesse an einer Unterhaltung mit
Dir. Kaum hast Du es Dir bequem gemacht, öffnet sich die Tür am Ende des
Raumes. Heraus kommt forschen Schrittes Hauptmann Levardos. Er stockt kurz,
als er Dich erblickt und zieht die Augenbrauen hoch, geht dann aber schnell
weiter und würdigt Dich nur eines kurzen Kopfnickens. Er verschwindet auf
dem Weg, den Du gekommen bist.
Inzwischen sind die beiden Bürger aufgestanden, denn ein weiterer Diener ist
hinter Levardos in der Tür erschienen und winkt die Wartenden herein. Du bist
aber offensichtlich noch nicht gemeint. Müde legst den Kopf zurück an die
Holzpanele, mit denen die Wand getäfelt ist.
Die Wärme der Kohlebecken und das sanfte Licht der Lampen machen dich
schläfrig, und fast bist Du eingedöst, als Dich das Geräusch der sich
öffnenden Tür aufschreckt. Der Diener geleitet die Bürger aus dem Raum
dahinter heraus, und gibt Dir gleichzeitig ein Zeichen einzutreten. Du
stehst auf, zupfst Deine Kleider zurecht und folgst dieser Aufforderung.
Du betrittst einen mäßig großen Raum, der keine Fenster aufweist und wie das
Wartezimmer von Öllampen erhellt ist. An einem Tisch in der Mitte stehen bzw.
sitzen drei Männer: ein Greis, ein großer hagerer Mann mittleren Alters und
ein Priester des Saer. Hinter Dir ist der Diener herein gekommen, schließt
die Tür und räuspert sich.
"Herr Tim Kallar, Navigator des Handelsschiffes Celara," kündigt er Dich an.
Die drei schauen hoch, und der Hagere macht zwei Schritte auf Dich zu.
"Willkommen, Herr Kallar. Vielen Dank, daß ihr so schnell gekommen seid.
Ich bin Graf Tamaig ap Llannaid." Du verbeugst Dich. "Und das sind mein
Onkel Bergen ap Llannaid und Herr Camren, mein Kämmerer." Auch den Greis
und den Priester begrüßt Du höflich, aber nur der zweite grüßt ebenso
zurück. Der alte Mann starrt Dich aus stahlgrauen Augen über einer
gewaltigen Hakennase finster an und gibt nur eine Art Schnauben von sich.
Auf dem Tisch sind mehrere Karten ausgebreitet, die die Stadt Llannaid,
deren nähere Umgebung und das Königreich Gwynneth zeigen. Neugierig wirfst
Du einen Blick darauf und kannst erkennen, daß auf der Karte von Llannaid
Holzfiguren plaziert sind. Das Verhältnis zwischen Holzfiguren in der Stadt
und solchen vor den Mauern scheint Dir verflucht ungünstig zu sein.
Der Graf lenkt Deine Aufmerksamkeit wieder auf sich, und stellt Dir einige
Fragen zu Geschwindigkeit und Ladevermögen der 'Celara', die Du ihm ohne
großes Nachdenken beantworten kannst. Richtig bei der Sache scheint er
jedoch nicht zu sein. Ein paar vorsichtige Nachfragen deinerseits, welche
Häfen man denn konkret anlaufen könne, um die Stadt zu versorgen,
beantwortet der Graf ausweichend und unbestimmt.
"Morgen werden wir mehr Klarheit haben," meint er und wechselt Blicke mit
den beiden anderen Anwesenden. "Verzeiht, daß ich Euch den Weg hier herauf
habe machen lassen, ohne wenig Konkretes sagen zu können. Wenn Ihr etwas
Gastfreundschaft als Entschuldigung annehmen wollt, nehmt Euer Abendmahl
in der großen Halle ein. Einige Schweine wurden geschlachtet, und es sollte
noch das eine oder andere saftige Bratenstück geben."
Du nimmst das Angebot dankend an, weniger wegen des Bratens als wegen der
Hoffnung vielleicht Aiunn zu treffen. Nachdem der Graf sich verabschiedet
hat - er will Fiarel morgen über weitere Planungen benachrichtigen - bringt
Dich ein Diener durch den Vorraum und einen langen Korridor in die zentrale
Halle der Burg.
Fackeln an den Wänden und das grosse Feuer in der Mitte des Raumes spenden
das einzige Licht. Hinter den hohen Fenster über dem Haupteingang liegt nur
nächtliche Dunkelheit. Die Dachbalken über Dir liegen halbverborgen im
Schatten, und im hinteren Teil der Halle kann man nur undeutlich die
erhöhte Tafel der gräflichen Familie erkennen. Eine hölzerne Balustrade
umspannt den Raum auf halber Höhe der Wand. Darunter und darauf führen
unzählige Durchgänge und Türen zu den tieferen Gefilden der Burg.
Soldaten der Garnison und der Stadtwache haben sich an den langen Tischen
niedergelassen und verschlingen große Stücke der beiden Schweine, die sich
an Spießen über dem Feuer drehen. Offensichtlich ist der Graf davon
überzeugt, daß Krieger mit einem vollen Bauch besser kämpfen. Die Stimmung
ist aber nicht ausgelassen, sondern eher angespannt.
Der Diener führt Dich an einen Seitentisch in der Nähe der gräflichen Tafel,
und läßt Dir dann eine ordentliche Portion Schweinelende bringen. Außer Dir
sitzt hier an den vornehmeren Plätzen niemand.
Dein Blick schweift suchen über die Speisenden, aber Du kannst weder Aiunn
noch Liona irgendwo entdecken. Nur Soldaten und Bedienstete scheinen in der
großen Halle anwesend zu sein. Aber dann siehst Du, wie sich eine Seitentür
unter der Balustrade öffnet und eine bekannte Gestalt in den Raum tritt.
Es ist Morten Essansor. Er macht einige Schritte in die Halle hinein, bevor
Eure Blicke sich treffen.