DATUM: 11. Aleet (Diensttag, Dunkelwoche, Elrani) - Abends
Kopfschüttelnd schaust Du dem Grafen hinterher. "Na, daß wird ja immer
besser," denkst Du. "Erst ein Dutzend im Wald und vor der Höhle, nun tausend
vor der Stadt. Wenn sich das mit ähnlicher Steigerung weiterentwickelt,
stehen in zwei Stunden hunderttausend Tlaroi vor den Grenzen dieses Landes."
Was Du jetzt benötigst ist ein wenig Ruhe, ein Bad und frische Kleidung.
Müde schaust Du Dich in der Halle um. Du bist allein, aber trotzdem kannst
Du die Anspannung spüren, die über der Burg liegt. Du drehst Dich um und
suchst Deine Gemächer auf.
...
Eine gute Stunde später räkelst Du Dich in der heißen Wanne, die Dein
Kammerdiener Corwin für Dich hat füllen lassen. Das dampfende Wasser wäscht
den Dreck der letzen Tage und die Erschöpfung von Deinen Gliedern. Die
Sorgen um den weiteren Fortgang der Dinge scheinen ein gutes Stück weiter
weg zu sein, als Du Dich schließlich mit einem sauberen Linnen trocken
reibst und in einen Satz frische Kleidung schlüpfst.
"Irgend etwas passiert, während ich weg war?" fragst Du Corwin, während er
Dir noch etwas ungeübt hilft, die Toga um die Schultern zu legen. "Außer
den üblen Nachrichten vom König natürlich," fügst Du schnell hinzu, als
Dir klar wird, daß er davon gehört haben muß.
"Ich weiß nicht, Herr Essansor. Nicht viel." Einen Moment schweigt er und
zeiht die Toga zurecht. "Nur zwei neue Gäste sind angekommen, zwei Damen."
"Zwei Damen?"
"Ja, aber ich habe sie nur kurz gesehen. Eine sehr schöne junge Frau und
eine etwas ältere Dame."
Sofort mußt Du an Aiunn und Lionafara Yalini denken. "Hast du ihre Namen
gehört? Oder wo sie untergebracht sind?"
Corwin schüttelt den Kopf. "Ich weiß nur, daß sie hier im Gästeflügel wohnen.
Aber nicht genau wo."
"Dann versuch, das in Erfahrung zu bringen!"
Corwin nickt und zieht sich zurück. Wohlig streckst du dich in den frischen
Kleidern. Die Strapazen der letzten Tage scheinen weit weg zu sein. Jetzt
fehlt Dir nur noch eine warme Mahlzeit, damit du dich rundum wohlfühlen
kannst. Einen Moment überlegst Du, ob Du Dir etwas aus der Küche bringen
lassen sollst, aber dann fällt Dir ein, daß die Sachen dann höchstens
lauwarm hier ankommen. Nein, heute muß es etwas Heißes sein. Also machst
Du Dich auf den Weg in die große Halle.
Die Burg ist aufgeregt wie ein Bau von Iritik-Käfern, in den man einen Stock
gestoßen hat. Bedienstete eilen an dir vorbei, und an jeder Ecke sind
Soldaten zu sehen. Mehrfach mußt du dich in eine Fensternische drücken,
um ein paar Wachen vorbei zu lassen.
In der großen Halle der Burg habe sich einige Soldaten und ein guter Teil
der Dienerschaft versammelt, um ihr Abendmahl einzunehmen. Zwei Schweine
werden an großen Spießen über dem Feuer gebraten. Aber die Stimmung ist
nicht ausgelassen, sondern sehr angespannt, kein Wunder bei den zu
erwartenden Kämpfen.
Dein Blick schweift zu der Empore, auf der die gräfliche Tafel und die
Gästetische stehen. Nur ein Mann sitzt dort, dem Du geradewegs ins
Gesicht blickst, denn er schaut zu Dir hinüber. Es ist Tim Kallar.