Es ist Mittag, als Du soweit bist, das
Schiff zu verlassen.
Nachdem Du Dich für heute abend, zwei Atlai
nach Sonnenuntergang, mit Tim in der "Perlengrotte", eine der
besseren Hafenkneipen, verabredet hast, lässt Du von einem
Matrosen Dein Gepäck zum Gasthaus "Zur Krone" bringen, wo auch
Olorin Giamantor und seine Begleiter absteigen wollen. Ein Boot
bringt Dich zum Ufer, und Dein erster Eindruck ist, dass es hier noch
nicht einmal eine vernünftige Hafenmauer, sondern nur ein paar
armselige Holzstege gibt. Auch sonst macht die Stadt einen sehr
hinterwäldlerischen Eindruck auf Dich.
Im Gasthaus, dass Dir mehr wie ein Landgasthof an
einer Provinstrasse als wie "das beste Haus am Ort" vorkommt, ist
Olorin gerade dabei, mit dem Wirt zu verhandeln und das Gepäck
auf die Zimmer bringen zu lassen. Während Du noch darauf
wartest, mit dem Wirt reden zu können, betritt ein grosser,
junger Mann von korpulenter Statur, den Schankraum und schaut sich
neugierig um. Er ist in ein einfaches Ledergewand gekleidet, dass von
einer Kordel um den Bauch - recht straff - zusammen gehalten wird.
Die einfache Kleidung lassen ihn hier etwas unpassend erscheinen, er
scheint aber kein Bettler oder so etwas zu sein, vielleicht ein
Mönch?
Der Wirt, Poirac ist sein Name, ist sehr
freundlich und hat auch sofort ein Zimmer für Dich bereit. Als
Du auf seine Frage nach dem Zweck Deines Besuches erwähnst, dass
Du auf Einladung des Grafen da bist, wird er sofort nochmal so
höflich und bietet Dir an, eine Nachricht zur Burg zu schicken.
Du nimmst dankend an.
Das Zimmer ist zwar nicht schlecht, aber viel zu
klein und zu primitiv eingerichtet, um Die auf Dauer als
Hauptquartier dienen zu können. Daher verzichtest Du darauf,
Deine Sachen vollständig auszupacken, und hoffst bald etwas
besseres finden zu können. Deine erste Unternehmung ist
dementsprechend, Dir erst einmal die Stadt
anzusehen.
Der Spaziergang aus Mortens Sicht:
"Vor dem Gasthaus stehend blicke ich darüber
hinweg in Richtung Burg. Von da oben kann man sicher gut sehen, denke
ich mir, und schwenke meinen Blick, um einen Weg nach dort oben zu
finden. Zwischen gar nicht mal so schlecht aussehenden
Steinhäusern führt ein breiter Weg hinauf zur Burg. Nach
einigen Metern den Berg hoch muss ich leider feststellen, dass meine
Kondition auch nicht mehr das ist, was sie mal war. Leicht schnaufend
halte ich schliesslich in einiger Entfernung von dem Eingang der Burg
an.
"Das ist ja interessant", sage ich zu mir selbst
und gehe näher an das grosse Gebäude heran. Die Basis der
Burg scheint aus riesigen monolithischen Steinen zu bestehen, kein
Mörtel, und total sauber bearbeitet. An einigen Stellen
zumindest. Muss ich mal rausbekommen, wer das gemacht hat. Garantiert
keiner von hier. Vielleicht diese seltsamen Tlaroi ? Der Rest der
Burg scheint auch eher Standard zu sein. Ich löse mich von der
Burg und dreh mich herum. Ja, von hier oben kann man echt gut sehen.
Was mir sofort ins Auge fällt ist eine
schnurgerade Linie kernwärts in einiger Entfernung von der
Stadt. Muss ich mir demnächst mal ansehen. In
gegendrehwärtiger Richtung kann ich einen weiteren Hügel
sehen. Dorthin werde ich mal gehen.
Also zurück auf den Marktplatz, auf dem immer
noch nicht viel los ist. Jetzt erst fallen mir die Tempel von Liasson
und Saër richtig auf, die in angemessenem Abstand zueinander am
Rand des Marktplatzes stehen. Da ist also der Grund für Olorins
Reise. Will ich Ihm mal Glück wünschen. Um den
Liasson-Tempel herum stehen einige kunstfertig bemalte und verzierte
Häuser mit einigen typischen Symbolen der Handwerkerschaften. Ob
die hier in Zünften organisiert sind ? Wahrscheinlich. Zwischen
diesen Häusern geht eine weitere, etwas breitere Strasse ab. Zu
dem zweiten Stadttor, das ich von der Burg aus sehen konnte, nehme
ich an.
Der Boden des Marktplatzes besteht anscheindend zu
grössten Teil aus purem Fels. Scheint so eine Art
natürliches Plateau zu sein. Gutes Material. Ob die hier in der
Nähe einen Steinbruch haben ?
Der Saër-Tempel ist recht prächtig und
steht damit im krassen Gegensatz zu den Gebäuden daneben, und in
noch krasserem Gegensatz zu denen dahinter. Das Bauwesen in dieser
Stadt scheint nicht organisiert zu sein. In Dar-Maran wäre es
undenkbar, dass solche Häuser gebaut würden bzw. gebaut
werden dürften. Hier scheint das alles in Eigenverantwortung zu
geschehen. Der Hafen selber kann nicht sehr weit von meinem Weg
entfernt sein. Das Plätschern der Wassers ist bei kurzzeitiger
Ruhe durch die Seitengassen zu hören.
Brunnen oder Wasserstellen hab ich hier noch keine
gesehen. Wenns hier mal brennt. Der ohnehin schon deftige Geruch
mangelhafter Kanalisation der mir bereits anvielen Stellen
entgegenwabberte vermischt sich hier noch mit dem penetranten Gestank
des Hafenviertels. Hier reicht die Bezeichnung ursprünglich
nicht mehr aus, armselig passt hier besser.
"Oh, Entschuldigung", sag ich zum wiederholten
Male, als ich mal wieder mehr auf die bauliche Umgebung als auf
entgegenkommende Passanten achte und fasst einen älteren Mann
umremple. Als Antwort erhalte ich nur irgendein Gebrummel.
Ich überquere einen Bach, oder das was davon
übrig geblieben ist. Der scheint hier als Kanalisation zu
dienen. Total überlastet allerdings. Ich halte den Atem an und
gehe schnell weiter und versuche dabei möglichst in Richtung
Hügel zu kommen. Zumindest ist hier in der Gegend was los,
obwohl mich das aufgrund der Art der Leute nicht unbedingt freut.
Finstere Gegend, Hafenviertel halt. Wieso müssen eigentlich
immer diese Orte, die irgendwie doch das Herz einer Hafenstadt
ausmachen, so verkommen sein. In Nasaria gibt es sogar einige
Hafenstädte, die den Hafenbereich komplett durch eine
zusätzliche Mauer innerhalb der Stadt abgetrennt haben. Meist
allerdings aus handelsrechtlichen Gründen.
Als ich den Hügel hinaufsteige ändert
sich die Umgebung wieder etwas. Hier scheinen doch mehr wohlhabende
Leute zu leben. Zumindest kann man ab und zu Steinhäuser sehen,
meistens jedoch Holz und Lehm, aber zumindest ordentlich
verarbeitet.
Kleine Krämerläden und viele kleine
Handwerksgeschäfte reihen sich aneinander. Die Gegend ist recht
geschäftig. Die Kanalisationsrinnen am Wegesrand sind zwar auch
nicht sonderlich professionell ausgeführt, sind aber wenigstens
vorhanden und scheinen regelmässig gespült und gereinigt zu
werden. In Nasaria obliegt es in den meisten Städten den
Anliegern alles vernünftig sauber zu halten. Das erstreckt sich
manchmal auch auf den Zustand der Strasse. Wie ist das wohl hier ?
Oben vom Hügel kann man die Stadt aus der
anderen Richtung betrachten. Hinter dem Hügel
gegendrehwärts, weiter kernwärts und weiter zum Meer hin
sind noch drei Stadttore zu sehen. Ich gehe den Hügel
kernwärts hinunter in ein anderes Viertel, das sehr
bäuerlich geprägt ist. Die kleinen Katen der Bauern passen
zwar auch nicht so richtig zu dem Bild einer modernen Stadt machen
jedoch auf mich häufig einen besseren Eindruck als die
Holzkonstrukte in dem Hafenviertel. Mir wird bewusst, dass Llannaid
ganz einfach keine moderne Stadt in meinem Sinne ist. Wohl eher das
Gegenteil. Meinen ersten Erkundigungen In Dar-Marans zufolge sollte
Llannaid sehr wohlhabend sein und eine ordentliche Bedeutung für
den Handel haben. Als Tor zum Königreich Gwynnith quasi. Olorin
selbst hat mir etwas von blühender Stadt erzählt.
Ich glaube, ich habe erstmal genug gesehen.
Über eine grosse Strasse gehe ich zurück auf den
Marktplatz.
...
Zurück im Gasthaus kommt Dir der Wirt ganz
aufgeregt entgegen.
"Werter Herr Essansor, der Herr Graf lässt
Euch mitteilen, dass er Euch kurz nach Sonnenuntergang auf der Burg
empfangen wird. Ich soll Euch auch sagen, dass er sehr erfreut
über Euer Kommen ist. Er wird jemanden schicken, um Euch
abzuholen."
Dir bleibt gerade noch Zeit, Dich frisch zu machen
und in Deine beste Kleidung zu schlüpfen, als der Wirt an Deiner
Zimmertür klopft und die Ankunft des Boten meldet.
...
Der Mann der Dich abholt, Levardos - Hauptmann der Stadtwache - soweit Du verstanden hast,
ist weltgewandt, aufgeschlossen und verblüfft Dich mit seiner
Kenntnis von Narsaria. Offensichtlich hat der Graf ihn speziell
ausgesucht, damit Du einen guten Eindruck bekommst. Levardos scheint
aber kein Einheimischer zu sein, sein Andemachat hat einen anderen
Akzent.
Der Weg zur Burg ist nicht lang und bald
führt Dich der Hauptmann durch eine grosse Halle und einige
Korridoren bis zu einer Wendeltreppe, die ihr hinaufsteigt.
Auf dem dritten Absatz macht der Hauptmann halt
und klopft an eine niedrige Holztür, die tief in die Wand
eingelassen ist. Dumpf ist ein "Herein" zu hören, und
Levardos öffnet die Tür. Seine Geste bedeutet Dir
einzutreten. Leicht den Kopf einziehend trittst Du über die
Schwelle in den Raum dahinter. Der Hauptmann folgt Dir nicht, sondern
schliesst die Tür von aussen. Den Schritten nach zu urteilen
steigt er die Treppe wieder hinab.
Offensichtlich befindest Du Dich in einem der
Türme der Burg, denn der Raum ist halbrund, schwere
Brokatvorhänge verdecken mehrere Fenster, und drei Kohlebecken
geben ihr Bestes, um Kälte und die anbrechende Nacht aus dem
Raum fernzuhalten. Mehrere Sessel und hohe Lehnstühle sind um
einen niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes gruppiert, auf dem
mehrere Bücher und Schriftrollen liegen. Aus einem der Sessel
erhebt sich die Gestalt eines distuingierten Mannes. Hochgewachsen
und etwas hager, mit tadelloser Kleidung und gepflegtem Bart bietet
er das Bild eines kultivierten Edelmannes von Welt. Aber die Falten
in seinem Gesicht und die grauen Strähnen in seinem ansonsten
braunen Haar verraten, dass er nicht mehr der Jüngste
ist.
"Seid herzlich willkommen und nehmt Platz. Ich bin
Graf Tamag
ap Llannaid und freue mich sehr, dass Ihr
meiner Einladung gefolgt seid."
"Habt Dank, für den freundlichen Empfang"
sagst Du mit einer Verbeugung und setzt Dich dann in einen der
bequemen Sessel.
"Habt Ihr schon etwas gegessen oder seid Ihr noch
hungrig von der Reise?"
"Ich habe mir erst einmal die Stadt angesehen, und
eine Mahlzeit und etwas zu trinken wäre mir sehr
willkommen."
Der Graf zieht an einer bestickten Kordel an der
Wand, und bald darauf erscheint ein Diener.
Wenig später schmaust Du genüsslich ein
vorzügliches Stück Wildbret und trinkst dazu einen sehr
guten, wenn auch nicht ganz leichten Rotwein. In der Zwischenzeit hat
sich der Graf nach Deiner Reise und Ankunft erkundigt, ohne aber
richtig bei der Sache zu sein. Offensichtlich brennt er darauf,
über Deinen Auftrag zu reden.
"Ihr sagt, Ihr habt Euch schon die Stadt
angesehen. Sicherlich ist Euch aufgefallen, das grosse Teile von
Llannaid in einem schlechten Zustand sind - einem Zustand, der der
wichtigsten Handelsstadt auf dieser Seite des Meeres der Kälte
nicht würdig ist. Ich bin in Narsaria gewesen und habe die
Strassen von Dar-Maran und Lynortis gesehen. Ich möchte, dass
Ihr für mich einen Plan ausarbeitet, der Llannaid in eine Stadt
nach narsarianischem Vorbild verwandelt: gepflasterte Strassen,
Kanalisation, öffentliche Brunnen, hauptsächlich
Gebäude aus Stein und einen besseren Hafen - und diesen Plan in
die Tat umsetzt. Ich weiss, dass das eine langwierige Aufgabe ist,
aber meine Familie ist reich, wahrscheinlich die reichtse in diesem
Teil der Welt, und ich bin geduldig. Ich biete Euch an, für die
Dauer dieses Projektes in meine Dienste zu treten. Ihr bekommt eine
Unterkunft Eurer Wahl, in der Burg oder in der Stadt, komplett mit
Einrichtung und Dienerschaft, volle Erstattung Eurer Ausgaben und 200
Ilas im Jahr. Ausserdem erhaltet Ihr eine Leibrente von 100 Ilas pro
Jahr nach Vollendung des Projektes. Ich möchte ständig
über Eure Arbeit unterrichtet werden, werde mich aber so wenig
wie möglich in Eure Arbeit einmischen. Was sagt Ihr
dazu?"
Wenn Deine Augen leuchten könnten, wäre
jetzt wahrscheinlich ein Schattenriss der Grafen in seinem Sessel an
der Wand zu sehen.
"Es war bereits eine grosse Ehre für mich,
von Euch hierher nach Llannaid eingeladen zu werden. Diese wird
jedoch bei weitem von der übertroffen, die Ihr mir mit diesem
Auftrag erweisst.
'Es ist sicherlich eine grosse Aufgabe, aber ich
möchte nicht zögern und Euch zusagen. Ihr könnt mit
all meinem Einsatz, meinen Verbindungen und meinen Kenntnissen
rechnen. Bei der Ehre meines Lehrmeister Cenjatore Almuen."
Der Graf scheint sehr erfreut von Deiner Zusage zu
sein, und als ob jemand den Startschuss gegeben hätte, befindet
ihr euch kurze Zeit später in einer intensiven Unterhaltung
über die anstehenden Arbeiten.
"Sehr wichtig ist wohl die Neugestaltung und des
Ausbau des Hafens. Die Handelsschiffe werden immer grösser und
bauchiger. Bestand werden in Zukunft nur noch Häfen haben, die
diese Schiffe aufnehmen können. Die einstmals berühmten
Hafenstädte Hen-Elon und Anderan südlich von Dar-Maran
verlieren zunehmend an Bedeutung. Sie werden von den grossen
Händlern einfach nicht mehr angelaufen. Krananlagen zur Be- und
Entladung von Schiffen, ich kann Euch Skizzen zeigen, arbeiten sehr
effektiv....
'Wasserversorgung und Kanalisation. Das ist wohl
der zweite grosse Bereich, der mehr Aufwand erfordert. Die
Voraussetzungen hierfür sind aber hier in Llannaid recht gut,
denke ich. Keine zu grossen Probleme mit Dürre und
Trockenheit...
'Strassenbau, Pflasterung ist eng damit verbunden,
aber nicht zu schwer zu realisieren..
'Die vielen Holzbauten, ja, ich habe es auf meinem
Gang durch die Stadt gesehen...".
Der Abend schreitet voran, während Du Dich
mit dem Grafen lange und ausgiebig über den Auftrag
unterhältst. Seine Motivation für dieses riesige
Unternehmen scheint wirklich die Liebe und Loyalität zu seiner
Stadt zu sein, aber er hält seine Gefühle ziemlich gut
hinter seiner Ernsthaftigkeit und Strenge verborgen. Schliesslich
entlässt er Dich.
"Ach ja, noch etwas. In fünf Tagen gehe ich
auf die Jagd in einem Forst in der Nähe. Ihr seid hiermit dazu
eingeladen. Für ein Pferd und Ausrüstung wendet Euch
einfach an meinem Jagdaufseher und den Stallmeister. Ich wünsche
Euch eine gute Nacht! Eure Unterkunft wird morgen für Euch
hergerichtet sein."
...
Mit einer guten Atlai Verspätung trudelst Du
schliesslich in der "Perlengrotte" ein. Erst kannst Du Tim gar nicht
entdecken, aber schliesslich findest Du ihn an einem einsamen Tisch
hinter einer Barrikade von Bierhumpen und Schnapsgläsern.
Irgendetwas scheint ihn übel mitgenommen zu haben, denn er
seufzt steinerweichend vor sich hin und brabbelt etwas von Aiunn. Nur
mit Mühe kannst Du irgendetwas Zusammenhängendes aus ihm
herausbekommen.