DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Mittags
Du ziehst die Schultern hoch. "Ich fürchte, ich weiß kaum etwas über die
Geschäfte meiner Freunde mit dem Grafen. Sie wollten sich mit jemandem
treffen, den ich aber gar nicht kenne. Aber verfolgt werden wir eigentlich
nicht."
Arwen schaut Dich etwas ungläubig an. "Weihen Euch Eure 'Freunde' nicht in
ihre Absichten ein?"
"Ich reise nur mit ihnen. Ihre Unterredungen mit Eurem Onkel haben mich
bisher eigentlich überhaupt nicht interessiert."
"Schade, andernfalls hätten wir vielleicht eine Ahnung, was das ganze hier
eigentlich soll." Arwen wendet sich an die Förstersfrau. "Ich brauche das
Pferd."
"Ich werde es sofort holen und satteln, Eure Hoheit." Mit einer Verbeugung
zieht sie sich aus der Stube zurück.
Arwen blickt Dich ernst an und holt tief Luft. "Ich glaube, hier werden
wir uns trennen müssen. Einer von uns muß so schnell wie möglich nach
Llannaid reiten, um Hilfe zu holen, und da ich offensichtlich von uns beiden
die bessere Reiterin bin ... ." Einen Moment lang spielt ein leichtes
Lächeln um ihre Lippen. "Nichts für ungut."
Du schüttelst den Kopf. "Das ist mir durchaus bewußt. Mir ist nur nicht
wohl bei dem Gedanken, Euch allein reiten zu lassen. Wer weiß, wo sich
noch mehr von diesen Wegelagerern herumtreiben."
"Ich weiß, aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Ihr etwa?"
Du denkst eine Weile nach. Mit einer Traumsendung könntest Du vielleicht
jemanden erreichen. Aber dann müßtet ihr bis zur Nacht und zur
Schlafenszeit warten - keine so gute Idee. Außerdem ist es nach Llannaid
wahrscheinlich sowieso zu weit. Du bezweifelst, daß Du den Zauber schon
gut genug beherrschst, um die Strecke zu überwinden. Schließlich mußt
Du bedauernd den Kopf schütteln.
"Leider nicht. Ihr seid wahrscheinlich nicht bereit, jemanden anderen zu
schicken, zum Beispiel die Försterin?"
"Nein." Arwens Ablehnung ist energisch. "Ich bezweifle auch, daß wir hier
unter den Bauern einen passablen Reiter finden."
"Na gut. Aber stärkt Euch erst noch etwas. Hier im Haus sollte ja etwas zu
essen zu finden sein."
...
Ihr steht vor dem Försterhaus. Das Pferd ist gesattelt und Arwen zum
Aufbruch bereit.
"Paßt gut auf Euch auf. Und kommt bald mit Verstärkung zurück." Du
streckst Arwen die Hand zum Abschied hin, aber sie umarmt Dich plötzlich.
Einen Moment lang stehst Du verblüfft und atemlos da, dann löst sie
sich wieder.
"Danke. Ohne Euch wäre ich diesem Überfall niemals entkommen."
"Ah...hmm...pff..."
Arwen sieht Dich einen Moment nachdenklich an und wechselt dann unversehends
das Thema.
"Heute morgen, kurz bevor diese ganze fürchterliche Sache anfing, hatte ich
doch diesen Traum erwähnt, den ich immer wieder habe. Darin sehe ich einen
Mann, und ich weiß genau, es ist Ulthar Riesentöter, unser Volksheld. Er
ist riesig groß und steht breitbeinig über dem ganzen Land. Dann öffnet
er seinen Mund und an Stelle einer Zunge hat er eine Schlange, die anfängt
sich zwischen seinen Zähnen herauszuwinden. Sie wird immer länger und
verbirgt Ulthar bald hinter sich. Dann taucht eine andere Gestalt auf, die
ich aber nicht erkennen kann. Ich sehe nur, daß sie sehr stark ist. Sie
packt die Schlange und versucht sie zu erwürgen. Erst sieht es so aus, als
ob sie das Ungeheuer besiegen würde, aber als die Schlange schon fast tot
ist, wachsen ihr unzählige Köpfe, die sich in den Armen der Gestalt
verbeißen. Schließlich bricht diese unter dem Angriff der Köpfe zusammen.
Dann wache ich schweißgebadet auf."
Bei den letzten Worten setzt Arwen ihren Fuß in den Steigbügel und
schwingt sich in den Sattel. Von oben herab schaut sie Dich an.
"Wenn wir uns wiedersehen, könnt Ihr mir vielleicht sagen, was dieser
Traum bedeutet."
"Ich werde darüber nachdenken", antwortest Du ihr. Sie reicht Dir noch
einmal die Hand und drückt sie. Dann reitet sie davon.
Versonnen schaust Du ihr hinterher. Ein interessanter Traum. Die Schlange
als Zunge? Das könnte für eine Lüge stehen. Und Ulthar? Vielleicht ist
er gar nicht als Person wichtig, sondern als Symbol für das Land Gwynneth
als Ganzes. Die unerkannte Gestalt ist möglicherweise Arwens Hoffnung auf
einen Helden, der es mit der Lüge aufnimmt, dem ihr Unterbewußtsein aber
keine Erfolgsaussichten zugesteht. Nicht gerade der positivste aller
Träume.
Gedankenverloren drehst Du Dich um, und siehst Ilienn, die Försterin, im
Türrahmen stehen. Sie schaut Dich besorgt an. "Was sollen wir jetzt tun?
Ich mache mir Sorgen um meinen Mann."
Ihre Worte holen Dich in die Wirklichkeit und deren Probleme zurück. "Für
Euren Mann können wir im Moment nichts tun. Aber auch wir sollten nicht
hier allein bleiben. Können wir irgendwohin, wo andere Menschen sind?"
"Wir könnten ins Dorf gehen, das ist nur eine Atlai zu Fuß von hier."
Du seufzt innerlich. Noch mehr Fußmarsch. Aber es ist wohl besser so.
"Ja, das machen wir. So schnell wie möglich."
"Ich packe nur noch ein paar Sachen ein," sagt die Försterin und
verschwindet im Haus. Du folgst ihr und ißt noch einen von den leckeren
Äpfeln, mit denen sich schon Arwen gestärkt hat.
Plötzlich hörst Du draußen Hufgeklapper. Sollte Arwen nocheinmal zurück
gekommen sein? Schnell wirfst Du einen Blick aus der Tür. Es ist nicht
Arwen. Am Rand der Lichtung sind zwei bewaffnete Reiter aufgetaucht. Nicht
in den Farben des Grafen, sondern in dergleichen unkenntlichen Kluft, wie
die Angreifer am Morgen. Schnell ziehst Du Dich von der Tür zurück.
Vielleicht haben sie Dich noch nicht gesehen.