Du steigst die letzte Treppe hinab und
siehst Arwen vor der Tür zum Gästeflügel stehen. Sie
ist in einen weiten Umhang gehüllt und trägt eine Lampe bei
sich.
"Ich stehe zu Eurer Verfügung Fräulein
Arwen und bin schon ganz gespannt, wohin Ihr mich entführen
werdet."
"Wartet nur ab. Ich glaube es wird Euch gefallen."
Sie zieht die Kapuze ihre Umhangs über den Kopf und winkt Dir,
ihr zu folgen. Leise ist das Klingeln ihrer Ohrringe zu
hören.
Ihr durchquert die grosse Halle, kaum beachtet von
den Soldaten, die hier noch trinken und spielen, und tretet durch
eine Holztür in einen wenig benutzt aussehenden Gang. Arwen
führt eine Treppe hinunter, einen weiteren Gang entlang und
hält schliesslich an einem schmalen Durchgang an.
"Hier werden wir die Burg verlassen," meint sie
und tritt unter dem Steinbogen durch. Dahinter führt eine sher
schmale und lange Stiege hinad in die Dunkelheit. Arwen geht voran
und kommt am Ende der Treppe schliesslich zu einer sehr massiv
gearbeiten Holztür, die in eine dicke Steinmauer eingelassen
ist. Sie nimmt einen grossen Eisenschlüssel aus ihrer Tasche und
schliesst damit die Tür auf, das Schloss lässt sich
erstaunlich leicht drehen. Sie stösst die Tür auf und
schlüpft durch die schmale Öffnung. Du folgst ihr und
stellst fest, dass ihr euch ausserhalb der Burgmauer zwischen Hafen
und Burgfelsen befindet. Ein schmaler, in der Dunkelheit kaum
erkennbarer Pfad führt in Richtung der Stadt.
Arwen lächelt Dich an. "Wie gut, dass mein
Onkel mir damals diesen Schlüssel gegeben hat. Ich denke, er hat
ihn inzwischen völlig vergessen."
"War das Euer Geheimnis?"
Sie lacht. "Nein, obwohl Ihr ich auch hiervon
niemandem erzählen solltet. Dies ist nur eine alte Ausfallpforte
der Burg, die ich benutze, um gelegentlich den Augen meiner Bewacher
zu entkommen."
Ihr klettert den Pfad hinunter, bis Euch eine
Mauer, die hier von der Burg zum Ufer führt, den Weg versperrt.
Arwen geht nach rechts an ihr entlang. Schliesslich siehst Du einen
Durchgang in der Mauer, der nur noch unvollständig von einem
halb verrosteten Gitter versperrt ist. Ihr zwängt Euch hindurch
und seht vor Euch die Stadt liegen.
...
Arwen klopft an die Tür eines unscheinbaren
Hauses im Hafenviertel. Ein kleines Fenster wird geöffnet, und
sie flüstert kurz mit jemandem auf der anderen Seite. Dann geht
die Tür auf, und ihr betretet einen spärlich erleuchteten
Flur. Ein älterer Mann mit freundlichem Gesicht umarmt Arwen zur
Begrüssung und schaut sie dann fragend an.
"Ich habe einen Gast mitgebracht," sagt sie mit
einer Geste in Deiner Richtung. "Er ist vertrauenswürdig. Sein
Name ist Gwendon."
Der Mann wendet sich an Dich. "Willkommen in
unserem Haus, Gwendon. Mein Name ist Arbrac."
Du antwortest ihm ebenso höflich. Er geleitet
Arwen und Dich in einen Raum, von dem eine Treppe nach unten
führt. Von dort dringt Licht und leise Musik herauf.
"Ist Dianne da?" fragt Arwen Arbrac.
"Nein, leider nicht. Sie hat es wohl nicht mehr
geschafft. Gebt mir Eure Umhänge, ich werde sie
aufbewahren."
Arwen reicht ihm ihren Mantel, und Du tust es ihr
gleich. Sie trägt ein wunderschönes dunkelgrünes
Tanzkleid, gegen dass ihr blondes Haar wie Gold glänzt. Dich bei
der Hand nehmend steigt sie die Treppe hinunter.
Unten schlägt sie einen Vorhang beiseite, und
die Musik wird plötzlich lauter. Du siehst einen grossen Raum,
der von vielen Lampen erhellt wird. Bunte Tücher und
Vorhänge schmücken die Wände, Teppiche und Kissen
bedecken den Fussboden, aber Möbel sind keine zu sehen. Gut ein
Dutzend Männer und Frauen haben sich auf den Kissen
niedergelassen. Fast alle haben sie irgendein Musikinstrument dabei,
und einige spielen im Moment darauf - die Musik, die Du gehört
hast.
Als ihr den Raum betretet, hören sie kurz auf
zu spielen, begrüssen Arwen und betrachten Dich mit neugierigen,
aber nicht unfreundlichen Blicken. Arwen wendet sich an Dich.
"Dies ist unser Tempel, hier huldigen wir Kaira
mit Musik und Tanz. Ich weiss nicht, wie Ihr zu unserer Herrin steht,
aber leistet uns doch einfach Gesellschaft und erfreut uns mit Eurem
Lautenspiel und Gesang. Leider ist unsere Priesterin nicht da, aber
auch so gibt es hier schöne Musik zu hören."
"Es ist mir ein Vergnügen, hier zu
sein."
...
Der Raum ist erfüllt von Klang. Das Dutzend
unterschiedlichster Instrumente - Lauten, Flöten, Harfen,
Trommeln und exotischere - erzeugt allen gängigen Regeln der
Musik zum Trotz ein vollendete Harmonie. Dazu kommt der wunderbare
Gesang, denn alle Besucher des Tempels haben hervorragende
Singstimmen. Arwen und einige andere drehen sich in der Mitte des
Raumes im Tanz. Die Musik trägt Dich davon, und Du stimmst in
den Gesang ein, spielst auf Deiner Laute und tanzst mit den anderen.
Alle scheinen glücklich darüber zu sein, einen weiteren
Musikanten in ihrer Mitte zu haben, und Du erhälst viele
freundliche Worte und Komplimente.
...
In der Dunkelheit und Kälte der tiefsten
Nacht bist Du mit Arwen auf dem Rückweg zur Burg.
"Das war ziemlich mutig von Euch, mich einfach
mitzunehmen. So wie ich es verstehe, ist Euer Kult in Gwynneth nicht
gern gesehen, oder sogar verboten."
Arwen schüttelt den Kopf. "Ihr mögt die
Musik. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Ihr uns verraten
würdet, selbst ohne Euer Versprechen."
"Nein, Ihr habt recht. Das würde ich nie tun.
Warum war Eure Priesterin nicht da?"
Sie seufzt. "Wir haben nur eine einzige Priesterin
in ganz Gwynneth. Sie reist durchs Land und kann natürlich nicht
zu allen Gottesdiensten anwesend sein. Aber wir kommen auch so
zurecht. Ich würde gerne in den Dienst der Göttin treten,
aber das geht natürlich nicht."
"Warum nicht?"
"Als Kusine und nächste Verwandte des
Königs? Mein Onkel würde das nie zulassen." Sie
verfällt in Schweigen.
Ihr kehrt auf demselben Weg zurück, auf dem
ihr gekommen seid. Wieder in der Burg, verabschiedet sich Arwen von
Dir.
"Es war schön, dass Ihr mitgekommen seid. Ich
mag Eure Musik sehr. Ich hoffe, es hat Euch auch gefallen."
"Es war wunderbar. Und wie ich schon sagte, Euer
Vetrauen ehrt mich. Ihr könnt Euch völlig auf mich
verlassen."
"Danke." Sie lächelt Dich an. "Schlaft
gut."
"Ihr auch."
Sie wendet sich ab und verschwindet in ihren
Gemächern. Nachdenklich gehst Du in Richtung des
Gästeflügels.