Nachdem der Schmied in Deinem Kopf
endlich nachgelassen hat, seinen Amboss zu bearbeiten, versuchst Du
Dir erst einmal darüber klar zu werden, wo Du Dich eigentlich
befindest. Du hattest Dir doch gestern noch gar keine Unterkunft
gesucht! Das Zimmer, in dem Du bist und das Morten eben verlassen
hat, ist einfach aber sauber eingerichtet, kommt Dir aber völlig
unbekannt vor.
Verwirrt steckst Du Deinen Kopf aus der Tür
und stellst schliesslich fest, dass Du in einem Zimmer über der
"Perlengrotte" eingemietet bist. Morten muss das gestern Nacht noch
arrangiert haben, aber Du kannst Dich ums Verrecken nicht daran
erinnern. Na ja, für's erste ist das Zimmer o.k., es ist billig
und sauber, und später kannst Du Dir immer noch etwas besseres
suchen.
Jetzt kommen die Erinnerungen an den gestrigen Tag
mit schmerzvoller Klarheit wieder hervor. So geht das nicht weiter!
Du musst endlich wissen, was hier gespielt wird. Jeder ausser Dir
scheint irgendein Geheimnis mit sich herumzuschleppen. Es wird Zeit,
dass ein paar offene Worte gesprochen werden.
Der Schankraum im Erdgeschoss ist um diese Zeit
leer, aber die Wirtin Enid, versorgt Dich mit einem späten
Frühstück. Es war tatsächlich Morten, der Dich
eingemietet hat. Das Zimmer kostet 3 Klan pro Tag und für
weitere 2 Klan bekommst Du jeden Morgen ein gutes
Frühstück. Während Du Dich über Brot, Butter,
Speck und einen Becher Ziegenmilch hermachst (ein Kater hat Dich noch
nie davon abgehalten, ein kräftiges Frühstück zu
essen), erkundigst Du Dich bei der Wirtin nach einem
Schreiber.
"Die meisten Leute gehen zum Tempel der Niamut, um
einen Brief schreiben zu lassen. Aber auch Daniuc der Krämer
kann schreiben und bietet seine Dienste an."
"Und wo finde ich diesen Daniuc?"
"Geht einfach nach rechts die Gasse hinunter und
biegt in die zweite Strasse nach links ab. Dann könnt Ihr nach
ein paar Metern seinen Laden sehen. Es hängt ein Schild mit
einem Korb und einem Seil daran."
...
"Und was soll ich nun schreiben?" fragt
Daniuc.
"Schreibt folgendes: Sehr geehrte Dame, ... Ich
muss dringend mit Euch über einen Eurer Bekannten, sein Name ist
Jolgin, sprechen. Bitte kommt heute abend bei Sonnenuntergang ... hmm
... zum Fischmarkt, da wo die Strasse zu Jolgins Wohnung abgeht. ...
Ich werde Euch dort treffen. Ein Freund. So ... Ach, schreibt noch
einmal darunter: Es ist wichtig!"
Daniuc folgt Deinen Anweisungen und schreibt die
Worte schnell, ohen besonders ordentlich zu sein, auf ein einfaches
Stück Lumpenpapier. Dann faltet es zusammen und versiegelt es
mit etwas Wachs, ohne jedoch ein erkennbares Siegel zu verwenden.
Dann reicht er Dir den Brief.
"Danke. Hier sind die 3 Klan und hier nochmal 3,
damit Ihr den Brief schnell wieder vergesst."
"Welchen Brief?"
...
"..., aber sie war nicht da, und da habe ich den
Brief dem Wirt gegeben. Er hat versprochen, ihn der Dame sofort zu
geben, wenn sie zurückkommt."
"Na gut, hier sind die versprochenen 2
Klan."
Du gibst dem Strassenjungen die beiden
Kupfermünzen, die er sofort in einem Beutel an seiner Brust
verschwinden lässt. Du schaust ihm noch einmal in die Augen,
aber er scheint ehrlich gewesen zu sein. Der Brief ist wohl wirklich
abgegeben.
Jetzt heisst es erst einmal abwarten. Du hast Dich
immer noch nicht, um eine Arbeit für den Winter gekümmert,
aber das hat ja auch ein bisschen Zeit. Vielleicht solltest Du
Kapitänin Fiarel wissen lassen, wo Du wohnst? Keine schlechte
Idee. Also auf zur "Celara".
...
Fiarel ist gerade in einer Verhandlung mit zwei
Kaufleuten, als Du an Bord kommst, nimmt sich aber bald ein paar
Augenblicke Zeit, um mit Dir zu reden.
"Ahoi Meister Kallar, gut dass Ihr kommt. Ich habe
eine Nachricht für Euch und wusste nicht, wo ich Euch finden
kann."
"Eine Nachricht?"
"Ja, Herr Giamantors Nichte Aiunn war heute morgen
hier und wollte mit Euch sprechen. Ich habe ihr gesagt, dass ich im
Moment nicht weiss, wo Ihr seid."
- Was soll dass nun schon wieder heissen? Gestern
hiess es noch: "Ich will Dich nie wieder sehen." -
"Und was hat sie daraufhin gesagt?"
"Ich soll Ihr Bescheid sagen, wenn ich erfahre, wo
Ihr wohnt, oder Euch zu ihr schicken, wenn ich Euch treffe. Letzteres
tue ich hiermit."
"Danke sehr ..."
"Und was wolltet Ihr von mir?"
"Ach ja, Entschuldigung. Ich wollte Euch nur
sagen, dass ich zur Zeit in der "Perlengrotte" wohne. Damit Ihr mich
erreichen könnt."
"Gut. Die Ladung ist allerdings noch nicht
verkauft. Ich bin noch in Verhandlungen."
"Kein Problem. Danke nochmals. Ich will Euch nicht
weiter stören."
In Gedanken versunken verlässt Du die
"Celara" wieder. War der Brief an Aiunn jetzt umsonst? War das ganze
ein Missverständnis, dass sie jetzt aufklären will? Aber
was war mit Jolgin? Und der Ring? Aber eins ist klar, Du musst sie
jetzt aufsuchen. Vielleicht klärt sich ja alles auf.
...
Der Wirt der "Krone" fängt Dich ab.
"Ihr seid Tim Kallar, der Navigator der
Celara?"
"Ja, das bin ich."
"Die Dame Aiunn erwartet Euch schon. Ich soll Euch
sofort zu Ihr bringen."
"Ich finde den Weg schon allein."
Etwas abrupt lässt Du den Wirt stehen und
steigst die Treppe ins Obergeschoss empor. Bals stehst Du wieder vor
der bekannten Tuer und klopfst.
Tock, tock, tock.
"Herein."
Du öffnest die Tür und betrittst Aiunns
Zimmer. Aiunn ist offensichtlich gerade dabei, ihr Gepäck
für den Aufbruch fertig zu machen. Zumindest trägt sie
selbst einfache Reisekleidung. Sie wendet sich zu Dir um, hält
einen Moment inne und setzt sich dann auf das Bett und lässt den
Kopf hängen. Eine einzelne Strähne ihres langen schwarzen
Haares fällt über ihr Gesicht.
"Hallo Tim."
"Hallo."
"..."
Nach einigen Augenblicken des Schweigens hebt sie
den Kopf und schaut Dich an.
"Es tut mir leid. Ich weiss... ich glaube... ich
muss Dir fürchterlich vorkommen."
Sie vergräbt ihr Gesicht in den Händen.
Du setzt Dich neben sie auf das Bett.
"Gar nicht. Ich weiss nur überhaupt nicht,
was eigentlich los ist. Was war das mit dem Ring? Und warum bist Du
so wütend geworden? Erklär es mir doch einfach!"
Sie schaut Dich wieder an, und ihre Augen blicken
hoffnungsvoll.
"Ich... ich war verlobt in Dar-Maran. Ich war so
verliebt. Und dann hat er mich verlassen. Das einzige, was er
zurückgelassen hat, war sein Verlobungsring - und der war
zerbrochen. Deswegen bin ich mit auf dieser Fahrt - um zu
vergessen."
"Aber..."
"Ich dachte gestern, dass Du davon wüsstest
und einen bösen ... Scherz machen würdest. Aber ich habe
nachgedacht, und mir ist klar geworden, dass Du ja gar nichts davon
wissen kannst. Und jetzt ... ich weiss nicht ... die Familie meines
Verlobten ist berühmt für ihre Hexer. Ich weiss wirklich
nicht was das ganze zu bedeuten hat. Oh, es tut mir so leid, dass ich
Dich so angebrüllt habe."
Tränen glitzern in ihren Augen, als sie Dir
in die Augen sieht. Dann streckt sie ihre Hand aus berührt
leicht Deine Wange.
"Ich liebe Dich."
Du stehst wortlos auf, wanderst mit gesenktem Kopf
durchs Zimmer.
Deine Augen blicken Aiunn an, das Gesicht sehr
ernst. Die Gedanken wirbeln in Deinem Kopf. - Bezweckt sie etwas?
Spielt sie mir die unschuldige Liebende nur vor? Dann ist sie eine
sehr gute Schauspielerin! -
"Ich liebe Dich auch!"
Aiunn fällt Dir um den Hals und vergräbt
ihr Gesicht an Deiner Schulter. Du streichelst ihr Haar, nimmst dann
ihren Kopf in Deine Hände und küsst die Tränen von
ihrem Gesicht.
"Geh' nicht fort! Bleib den Winter über mit
mir hier, egal was Dein Onkel sagt!"
Aiunn schnieft und löst sich aus Deiner
Umarmung. "Gut. Ich werde hierbleiben. Mein Onkel kann alleine nach
Gwynnin reisen." Sie wischt sich nocheinmal über die Augen ,
reisst sich dann zusammen und steht kerzengerade und entschlossen vor
Dir. "Ich werde gleich mit ihm reden." Sie ist drauf und dran, aus
dem Zimmer zu stürmen.
"Halt, warte." Du schaust sie scharf an. - Warum
hat sie nichts von Jolgin gesagt? - "Da ist noch 'was. Was hat es mit
diesem ermordeten Fischer Jolgin auf sich?"
Sie schaut Dich an, und für einen Moment
ziehen sich ihre Augen zusammen. "Jolgin? ... Quin hat mich gebeten,
dorthin zugehen und ihn zum Gasthaus zu bringen, weil er selbst zum
Gottesdienst im Tempel musste. Bist Du mir etwa nachgeschlichen?"
Ihre Miene drückt jetzt Ärger aus.
"Ich habe Dich zufällig gesehen, und wollte
wissen, was Du ganz alleine im Fischerviertel machst."
"Du hättest mich fragen können!"
"Es tut mit leid. Aber Du musst zugeben, dass das
ganze etwas seltsam wirkte. Und dann war dieser Fischer auch noch
ermordet. Was hat Quin denn dazu gesagt?"
"Es geht Dich eigentlich gar nichts an, aber er
war erschreckt und enttäuscht. Er wollte irgendwas von ihm, ich
weiss aber nicht was."
Du schaust Aiunn an, und hast den Eindruck, dass
sie ehrlich ist. Langsam wird das Feuer Deines Misstrauens
schwächer. Aber der Brief? Hat sie ihn vielleicht nicht
bekommen? Sollst Du sie fragen? Nein, Du hast eine Idee, Du wirst
einfach bis heute abend warten und sehen, ob jemand und wenn ja, wer
zum Treffpunkt kommt. Wenn es Aiunn ist, kannst Du nochmal mit ihr
reden. Wenn jemand anders, dann lässt sich vielleicht noch etwas
herausfinden.
"Es tut mir wirklich leid, dass ich Dir
nachgeschlichen bin. Es war nur aus Sorge um Dich."
Ihr Blick wird wieder etwas sanfter, und sie nimmt
Deine Hand. "Geh jetzt, ich muss mit Olorin reden, und es wird sicher
nicht ganz einfach, ihn davon zu überzeugen, dass ich
hierbleibe. Ich möchte nicht, dass Du in der Nähe bist,
dass würde es nur noch schlimmer machen." Sie küsst Dich
innig und öffnet dann die Tür. "Der Aufbruch ist für
morgen früh geplant. Komm einfach hierher, wenn die anderen weg
sind. Dann haben wir ganz viel Zeit für uns alleine."
Du umarmst Aiunn noch einmal und wendest Dich dann
zum gehen. "Falls Du mich vorher sehen willst, ich wohne über
der Perlengrotte im Hafenviertel. Meinst Du kannst Deinen Onkel
überzeugen?"
"So oder so, ich bleibe hier."
Ein letzter Kuss, und dann verlässt Du das
Zimmer und steigst die Stufen zum Erdgeschoss hinab.
Unten ist der Wirt gerade dabei, eine Magd
auszuschimpfen, die einen Eimer in der Gaststube umgekippt habt.
Kurzentschlossen gehst Du auf ihn zu.
"Herr Wirt, hat heute jemand einen Brief für
Fräulein Aiunn abgegeben?"
Er schaut Dich etwas erstaunt an. "Ja,
wieso?"
"Hat sie ihn bekommen?"
"Soweit ich weiss, ja. Der ehrwürdige Herr
Verrasantar wollte ihn Ihr geben."
"Oh ... na dann ist es ja gut."
Nachdenklich verlässt Du das Gasthaus. Schon
wieder Quin? Hat er Aiunn den Brief etwa nicht gegeben? Aber er ist
doch ein Priester des Saër, des Gottes der Wahrheit. Hat er ihn
vergessen? Sehr unwahrscheinlich. Aber vielleicht ist es ganz gut,
wenn Aiunn den Brief nicht bekommen hat. Vielleicht lässt sich
so mehr herausfinden.
Die Sonne steht schon ziemlich tief, und Du hast
nicht mehr viel Zeit, bevor Du zum Treffpunkt am Fischmarkt
musst.
...
Mit Besorgnis betrachtest Du den zunehmend leerer
werdenden Platz. Es hätte ruhig noch etwas lebhafter sein
können. Du fröstelst in der zunehmenden Kälte des
Abends und richtest Deine Aufmerksamkeit wieder auf die
gegenüberliegende Seite des Fischmarkst, dahin, wo die Gasse zu
Jolgins Haus abgeht und wo in den nächsten Minuten irgendjemand
auftauchen sollte.
Unwillkürlich ziehst Du dich weiter in die
dunkle Gasse zurück, in der Du dich versteckt hältst.
Beinahe hättest Du Quin übersehen. Ohne seine
Priestergewänder sieht er aber auch völlig verändert
aus. Du beobachtest den rotbärtigen Priester, wie er über
den Marktplatz geht, sich in der Nähe des Treffpunktes postiert
und aufmerksam die wenigen Passanten betrachtet.
...
Einige Zeit später, die Sonne ist
untergegangen und die Schatten des Abends werden dichter. Quin ist
zusehend unruhiger geworden und geht am Eingang der Gasse auf und ab.
Der Platz ist fast völlig leer.
...
Endlich scheint Quin genug zu haben. Er hat fast
eine halbe Atlai (eine Stunde) dort gewartet, und Du kannst ihn in
der Dämmerung kaum noch erkennen.
Aber anstatt direkt den Platz zu verlassen, winkt
Quin in Richtung der Gasse, vor der er die ganze Zeit gewartet hat.
Zwei Gestalten treten aus einem Torbogen heraus und gehen zu ihm hin.
In der Dämmerung kannst Du sie nicht gut erkennen, aber sie
kommen Dir auch nicht bekannt vor. Kräftige Gestalten, die sich
ziemlich selbstsicher bewegen. Quin redet kurz mit ihnen und scheint
ihnen dann etwas in die Hand zu drücken. Münzen? Hat er
vielleicht ein paar Schläger angeheuert? Aber wozu? Um sicher zu
gehen, dass ihm nichts passiert oder um dem anonymen Briefschreiber
etwas anzutun? Auf jeden Fall macht er immer weniger den Eindruck
eines offenen und ehrlichen Saër-Priesters.
Jetzt trennen sich die drei Männer, Quin geht
wieder zurück in Richtung Gasthaus und die beiden anderen
wandern zum Hafen. Du überlegst, ob Du jemandem folgen sollst,
und wenn ja wem. Olorin geht wahrscheinlich nur zurück zur
'Krone', und ausserdem ist er Dir als Priester oder Zauberer nicht so
geheuer. Aber die anderen beiden sind zu zweit und kennen sich
bestimmt hier aus. Ach was soll's, feige warst Du noch nie. Ausserdem
wird es ja schon dunkel.
Als die zwei schon fast auf der anderen Seite des
Fischmarktes verschwunden sind, löst Du dich aus dem Schatten
der Hauswand und folgst ihnen unauffällig. Du brauchst nicht
lange hinter ihnen herzuschleichen, denn sie verschwinden bald in
einer Fischerspelunke am Hafen. Jetzt werden sie sicher das Geld
versaufen, das sie gerade bekommen haben. Kurzentschlossen betrittst
Du die Kneipe.
...
Einige Zeit und viele Biere später.
"... unn dann had er g's'gt: 'Wnn ich euch winge,
d'nn schnappt ihr euch d'n Gerl, aber der is' nie g'gommen unn had
unns um 'nen gudes Silberschdügg g'brachd, d's Schweinn."
"Hat der Typ denn seinen Namen genannt?" Die
beiden sind inzwischen so betrunken, dass Du nicht zu befürchten
brauchst, dass sie Deine Nüchternheit bemerken.
"Nee, had er nich, oder hass du was
g'hörd?"
"Wass soalll ich hörn?"
"Vergisses, Du bis ja bedrungen."
Hm, gelogen hat Quin zumindest nicht direkt, nach
der Erzählung der beiden Seeleute zu urteilen. Er hat die beiden
angeheuert um EVENTUELL jemanden zu überwältigen, der ihn
MÖGLICHERWEISE erpressen wollte. Und einen Namen hat er ihnen
offensichtlich nicht genannt. Mehr ist aus diesen beiden auch nicht
mehr herauszuholen. Du bezahlst die Rechnung und begibst Dich
zurück zur Perlengrotte.
...
Müde von dem langen Tag legst Du Dich ins
Bett und versinkst in unklaren Träumen, in denen Du Aiunn
hinterherläufst, aber jedesmal, wenn Du sie zu fassen bekommst,
verwandelt sich sich in jemand anders: Olorin, Quinn, Liona, Dein
Freund Maygin, Morten, Fiarel ... und irgendwo im Hintergrund sitzt
ein alter Mann, den Du nicht erkennen kannst.
...
Ort:
Marktplatz von Llannaid
Zeit: 6.
Aleët (Feldtag der Feuerwoche des Monats Elrani) -
Morgens
Ungeduldig beobachtest Du seit einer Atlai den
Eingang des Gasthauses "Zur Krone". Wann brechen sie denn endlich
auf? Jetzt bringt ein Knecht drei Pferde aus dem Stall. Eines ist mit
Gepäck beladen. Dann bleiben aber nur noch zwei
Reitpferde!?
Dann kommen Quin und Olorin aus dem Haupteingang,
begleitet vom dem bücklingmachenden Wirt. Sie wechseln ein paar
letzte Worte mit Poirac, besteigen die Pferde und reiten in Richtung
des Gwynniner Tores davon. Von Lionafara Yalini ist keine Spur zu
sehen.
Du wartest noch ein paar Augenblicke und gehst
dann schnellen Schrittes hinüber zum Gasthaus. Den Schankraum
hast Du durchquert, bevor der Wirt Dich überhaupt ansprechen
kann, und auf der Treppe nimmst Du immer drei Stufen auf einmal.
Schon bist Du den Flur zu Aiunns Zimmer halb hinunter, als vor Dir
plötzlich eine Tür aufgeht. Liona versperrt Dir den Weg.
Sie hat die Arme in die Seiten gestemmt und schaut Dich sehr ernst
an.
"HerrKallar.IchmussdringendeinWortmitEuchsprechen.Tretetbitteein!"
Ihr Ton lässt keinen Zweifel daran, dass es
ihr sehr ernst ist. Wohl oder über folgst Du ihrer Aufforderung
und betrittst ihr Zimmer. Sie kommt hinter Dir her und schliesst die
Tür.
"HerrKallar.Ichnehmean,dassIhrderGrundfürFräuleinAiunnsWunschseid,inLlannaidzubleiben."
Du versuchst zu antworten, aber sie lässt Dir
keine Zeit dazu.
"IchhoffeIhrseidEuchdarüberbewusst,dassFräuleinAiunnauseinerSEHRvornehmen
Familiestammt.IhrOnkelwarsehrungehaltenüberIhrVerhalten.IhrwerdetdiejungeDamenoch
inSchwierigkeitenbringen.
Wieder unternimmst Du den Versuch, eine Antwort
unterzubringen, aber Du kommst nur zu einem Kopfschütteln bevor
Liona fortfährt. Ihr Ton wird allerdings sanfter.
"Oh,ichweissjawiejungeLiebeist.AlsmeinverstorbenerGattedamals...aberdasgehört
jetztwohlnichthierher.AufjedenFallbinichhiergeblieben,umeinAugeaufdiejunge
DameauhabenunddamitwohlauchaufEuch.Passtalsoauf,dassIhrEuchnichtunziemlich
benehmtundFräuleinAiunninSchwierigkeitenbringt.
Mit den letzten Worten öffnet sie die
Tür wieder.
Etwas überrascht, dass das schon alles
gewesen sein soll, machst Du einen Schritt in Richtung
Tür.
"Da-"
"Neinneinnein,Ihrbrauchtgarnichtszusagen.Gehtjetzt,ichglaubejemandwartet
aufEuch.Undfallsirgendetwasist,ichbinwahrscheinlichdenTagüberimTempel."
Bevor Du noch irgendetwas sagen kannst, hat sie
Dich aus der Tür gedrängt und diese vor Deiner Nase
geschlossen. Du stehst wieder auf dem Flur.
"Danke."
...
Du löst sich sanft aus dem innigen Kuss
Aiunns.
"Eins muss ich noch wissen, wie heisst Dein
ehemaliger Verlobter?"
Sie lässt sich rückwärts auf das
Bett fallen und streckt die Arme aus. Ihre langen dunklen Haare
breiten sich über die Decke aus. "Ach, ich mag jetzt gar nicht
an ihn denken."
"Sag mir, wer er ist. Wenn er so bösartig
ist, muss ich es wissen."
Sie schaut dich an und seufzt. "Er heisst Erin
Akephalos."
Du pfeifst durch die Zähne. Akephalos! Dion
Akephalos ist der Hochmeister des Ordens des Weissen Turmes und sitzt
als Vertreter aller Hexer im "Rat der Dreizehn", der Regierung von
Narsaria. Die Familie Akephalos rühmt sich, seit fünfzehn
Generationen mächtige Magier hervorgebracht zu haben, und Erin
Akephalos gilt als einer der möglichen Erben von Dion.
Aiunn schaut Dich etwas unsicher an. "Er ist
ziemlich mächtig."
Du schüttelst die Gedanken an ihn ab. "Ach
was, er ist weit weg. Ich weiss sowieso nicht, wieso er sich mit
solchen Kleinigkeiten wie zerspringenden Ringen abgeben
sollte."
"Er ist ein seltsamer Mensch. Und inzwischen macht
er mir nur noch Angst."
"Hab' keine Angst. Wir haben einen langen Winter
vor uns und sind fern von Narsaria. Kein Hexer soll uns
stören."
Du beugst Dich zu ihr hinab, um Ihr einen Kuss zu
geben. Sie schlingt ihre Arme um Dich und zieht Dich zu sich aufs
Bett.
...
Die nächsten Tage sind ein wunderschöner
Traum. Das Wetter ist kalt, aber klar, und Deine Erinnerungen an das
Misstrauen und das seltsame Erlebnis mit dem Ring verblassen in der
Gesellschaft von Aiunn, die Dir schöner vorkommt als je zuvor.
Sie selbst scheint glücklich zu sein, ihre Zeit mit Dir
verbringenzu können, und nur manchmal meinst Du, einen Schatten
von Melancholie oder düsterer Gedanken bei Ihr zu entdecken.
Lionafara, die eigentlich von Olorin damit beauftragt wurde, auf
Aiunn aufzupassen, lässt Euch in Ruhe. Du bekommst sie kaum zu
Gesicht; meistens hält sie sich wohl im Tempel des Saër
auf.
Ihr geht am Strand des Meeres der Kälte
spazieren, streift and den Ufer des Raerwen entlang, besucht die
Tavernen der Stadt, macht es Euch vor dem Kamin von Aiunns Zimmer
gemütlich und liebt Euch oft. Manchmal schmiedet Ihr Pläne,
was Ihr nach diesem Winter in Llannaid machen wollt, aber Aiunn baut
eher Wolkenschlösser als praktische Pläne, die sich in die
Tat umsetzen liessen. Im Grunde genommen seid Ihr es jedoch
zufrieden, in den Tag hinein zu leben, denn der Winter ist noch lang,
und der Beginn des Frühlings scheint in ewiger Ferne zu
liegen.
...
Ort: Llannaid
Zeit: 10. Aleët (Geisterttag der Feuerwoche
des Monats Elrani) - Vormittags
Heute morgen hast Du Dir von Fiarel Unangor Deinen
Anteil an dem Erlös ihrer Seide abgeholt. Auf dem Rückweg
von der 'Celara' zur 'Krone' klimpern daher zwanzig Telos
(Silberstücke) in Deinem Geldbeutel, und Du bist bester Laune.
Heute Nacht hat es den ersten schweren Frost gegeben, und Dein Atem
zaubert weisse Wolken in die frische Morgenluft.
Als Du das Gasthaus betrittst, siehst Du zwei
Stadtwachen, die sich im Schankraum niedergelassen haben und auf
jemanden zu warten scheinen. Von einer unangenehme Vorahnung
überkommen steigst Du die Treppe empor und klopfst an Aiunns
Tür. Sie ruft "Herein."
Du öffnest die Tür und siehst drei
Personen im Raum. Neben Aiunn und Liona steht ein Mann in der
Kleidung der Stadtwache in der Mitte des Zimmers. Aiunn schaut recht
unglücklich und Lionas Blick schickt Dir kalte Schauer den
Rücken hinunter. Wenn Blicke töten könnten, wäre
es jetzt wohl um den Navigator Tim Kallar geschehen. Liona ist
ausnahmsweise still.
Der Mann wendet sich an Dich. "Ich bin Leutnant
Maduk. Ich nehme an, Ihr seid Tim Kallar, der Steuermann des Schiffes
'Celara'?"
"Der Navigator, ja der bin ich."
"Ich habe ein paar Fragen an Euch. Würdet Ihr
mich bitte hinunter in die Gaststube begleiten!" Der letzte Satz ist
keine Frage, sondern eine Aufforderung. Ohne eine Antwort abzuwarten,
wendet er sich an die beiden Frauen. "An Euch, meine Damen, habe ich
im Moment keine weiteren Fragen, aber es kann sein, dass sich weitere
ergeben. Bitte verlasst daher vorerst die Stadt nicht."
Aiunn nickt, und Leutnant Maduk bedeutet Dir mit
einer Geste, den Raum zu verlassen. Du schaust noch einmal in
Richtung Aiunn, fängts aber nur einen finsteren Blick von Liona
auf.
Unten in der Gaststube setzt sich Maduk an einen
der leeren Tische, und Du nimmst ihm gegenüber Platz. Er schaut
Dich scharf an.
"So, was könnt Ihr mir über den Mord an
dem Fischer Jolgin sagen?"