DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Mittags
"Das hab' ich doch schon alles eurem Leutnant erzählt!"
Mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck schiebst Du den Holzbecher ein
wenig in seine Richtung.
"Und auch was Fräulein Aiunn erzählt hat, wird er euch sicherlich berichtet
haben. Da ich nur für mich sprechen kann, und eurem Leutnant bereits die
Wahrheit berichtete, werde ich euch sicherlich jetzt nicht anlügen, indem
ich etwas anderes erzähle!"
Die Gedanken überschlagen sich in Deinem Kopf.
'Ob Levardos nicht daran interessiert ist Aiunn in Schwierigkeiten zu
bringen wird sich zeigen! Er will ihr sicherlich nicht den Mord anhängen,
aber sollte er eine Verbindung zwischen ihr und Jolgin/ Quin herstellen ist
ihm wohl die Aufklärung der Sache wichtiger! Wetten?!'
"Wie gesagt! Fragt euren Leutnant! Und wenn das eure einzige Spur zu diesem
Jolgin ist, tut es mir wirklich leid. "
Du stehst auf und wendest Dich zum Gehen.
"Einen schönen Tag noch!"
"Einen Augenblick noch, nicht ganz so schnell!"
Du wendest Dich um. Hauptmann Levardos schaut Dich mit ernsten Augen an,
aber aus seiner Miene kannst Du nichts lesen.
"Es macht mich traurig, jemanden von solcher Sturheit zu sehen. Eure
Einstellung erweckt bei mir den starken Eindruck, das Ihr etwas zu verbergen
habt."
Er schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck aus seinem Weinbecher. Dann
steht er auf, dreht den Becher in den Händen und schut Dich direkt und
auffordernd an. Du starrst zurück und schweigst.
In diesem Moment ertönt von draußen ein Ruf: "Herr Hauptmann! Hauptmann
Levardos!" Fast gleichzeitig klopft es an der Tür. Levardos macht ein
paar Schritte hinüber und öffnet sie. Ein aufgeregter Mann, verschwitzt
und staubbedeckt, kommt hereingestürzt und überschlägt sich fast vor
Eile.
"Hauptmann Levardos, ich habe dringende Nachrichten. Und weder der Graf noch
Hauptmann Brandon befinden sich in Llannaid. Sie müssen schnellsten
benachrichtigt werden! Wo sind sie?"
Levardos versucht den Mann erst einmal zu beschwichtigen. "Immer mit der
Ruhe. Der Graf ist im Moment nicht zu erreichen. Es wird wohl am besten sein,
Ihr teilt Eure Nachricht mir mit."
"Der König! Er hat sein Heer mustern lassen und ist auf dem Marsch hier..."
"Halt!" unterbricht ihn Levardos. "Nicht hier! Wartet einen kurzen
Augenblick."
Er wirft einen Blick zu Dir hinüber und runzelt die Stirn. Dann lehnt er
sich aus der Tür und ruft "Wache!" Fast augenblicklich eilen zwei Gardisten
herbei.
Levardos deutet auf Dich. "Werft ihn in den Kerker!" Zu Dir gewandt fügt
er hinzu: "Ihr werdet jetzt erstmal Zeit haben, Euch zu überlegen, ob
Ihr nicht kooperativer sein wollt. Ich werde später nochmal mit Euch
sprechen."
Dann gibt er den beiden Gardisten einen Wink, und sie führen Dich ab. Deine
Proteste verhallen unbeachtet. Hinter Dir hörst Du noch, wie er sich an den
Boten wendet: "Und nun zu Euch."
Die Gardisten bringen Dich vom Tor der Burg hinunter zu den Gebäuden der
Stadtwache. Über einen staubigen Platz geht es zu einem grauen
Steingebäude, vor dem einige Soldaten mit Übungskämpfen beschäftigt sind.
Als Dich die beiden Gardisten an ihnen vorbei führen, fliegen einige Worte
zwischen ihnen und den Soldaten hin und her. Du verstehst zwar nicht viel,
da sie die Landessprache verwenden, aber es scheint Dirm als ob hier eine
gewiße Rivalität zwischen den Einheiten der Garde und der Stadtwache zum
Ausdruck kommt.
Im Gebäude brüllt einer Deiner beiden Begleiter nach dem Gefängniswärter:
"Owain!"
Vom Fuße einer dunklen Steintreppe, die hier nach unten führt, ertönt
ein verärgertes Schnaufen, und dann kommt eine Gestalt herauf geschlurft.
Einige vereinzelte strähnige Haare kleben an dem ansonsten kahlen Schädel
des Wärters, und Du siehst, daß von seinem rechten Arm nur noch ein
kurzer Stumpf vorhanden ist. Vor sich hin schimpfend kommt er die letzten
Stufen herauf, mustert Dich aus zusammen gekniffenen Augen und brummelt:
"Hmmpf, schon wieder einer, könnt ihr mich nicht einmal in Frieden lassen?"
"Befehl von Levardos," antwortet einer der Gardisten. "Er hier" - er deutet
auf Dich - "kommt in den Kerker, bis Levardos etwas anderes anordnet."
"Bevorzugte Behandlung?" Owain puhlt ausgiebig in seinem linken Ohr und
wischt sich den Finger dann an seiner Glatze ab.
"Davon hat Levardos nichts gesagt" ist die Antwort des Gardisten.
"Na dann bringt ihn mal runter. Er wird sich hier schon wohlfühlen." Das
bösartige Lachen, das dieser Bemerkung folgt, läßt Dich nichts Gutes
ahnen. Ihr steigt die Treppe hinab.
Unten erstreckt sich ein großer Kellerraum, der von einigen Fackeln erhellt
und einem Kohlebecken unzureichend geheizt wird. In einer Ecke steht ein
großer Tisch, einige Kisten und ein paar Fässer. In der Mitte
des Raumes ist ein Eisengitter in den Boden eingelassen.
Owain schlurft Euch zu dem Tisch voran und dreht sich dann um.
"Dann zeig mal her, was Du so dabei hast, Freundchen."
Unter Deinem lautstarken Protest, der sie aber nicht weiter kümmert,
durchsuchen Dich die drei und nehmen Dir alle Waffen und Wertgegenstände
ab. Besonders wehrst Du Dich, als sie die 20 Telos von Fiarel finden und
Dich höhnisch angrinsen, aber gegen ihre geübten Griffe hast Du keine
Chance.
Dann schlurft Owain zu dem Gitter in der Mitte des Raumes und öffnet es
mit einem der Schlüssel, die er an einem eisernen Ring am Gürtel trägt.
Darunter führt eine Steile Treppe nach unten. Die beiden Gardisten
packen Dich fester, schleifen Dich dorthin und stoßen Dich die Stufen
hinab. Über Dir fällt das Gitter wieder ins Schloß.
Etwas benommen und mit aufgeschürften Händen landest Du am Fuße der
Treppe auf kaltem Steinboden, der notdürftig mit schmierigen Stroh bedeckt
ist. Durch das Gitter über Dir fällt etwas Licht herunter und läßt Dich
nach einigen Augenblicken der Gewöhnung das Halbdunkel durchdringen. Du
befindest Dich in einem ungefähr hundert Quadratschritt großen, niedrigen
und feuchten Raum. An den Wänden sind einige Nischen zu sehen, und um
Dich herum kauert wohl ein halbes Dutzend abgerissener Gestalten auf dem
Boden.
Ein Zupfen und Kichern läßt Dich herumfahren. Ein kahlkopefiger alter Mann
in Lumpen befingert Deine Weste. "Schöner Stoff, hehe, schöner Stoff"
erklingt es aus seinem zahnlosen Mund. Du stößt seinen Arm beiseite und
ziehst Dich zwei Schritte zurück.
"Verschwinde Alter!" ertönt es von der Seite, und ein jüngerer Mann
stößt Ihn weg. Er ist hager und recht groß. Als er sich Dir zuwendet,
und grinst, entblößt er eine Reihe makelloser Zähne.
"Keine Angst, der ist harmlos." Er muster Dich von oben bis unten. "Aber
recht hat er. Ich bin Taran. Und wer bist Du?"