DATUM: 10. Aleët (Geistertag, Feuerwoche, Elrani) - Abends
Du überlegst kurz. Ob man Taran so etwas anvertrauen kann? Wer weiß, was
er hauptberuflich so treibt. Es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn er
Aiunn benachrichtigen könnte. Aber sojemanden zu Aiunn schicken? Da wird
sich Liona sicherlich nur darin bestätigt sehen, das Du den Ärger magisch
anziehst. Aber das hier ist wahrscheinlich die einzige Chance, daß sie über
die bevorstehende Gefahr informiert wird. Also, was soll's?
Mit gedämpfter Stimme redest Du auf Taran ein.
"Es gäbe da etwas! Im Tempel des Saer. Eine nette, junge Dame namens
Aiunn! Erzähl ihr, was ich Dir erzählt habe: Daß der König mit
einem Heer auf dem Weg hierher ist. Solltest Du nicht zu ihr können,
erzähl es Lionafara Yalini, der Priesterin. Ich hoffe sie wissen, was
zu tun ist."
Taran nickt und grinst Dich an. "Geht klar, mach ich." Er wendet sich
schon zum Gehen, aber Du hältst ihn nocheinmal an.
"Ach, und nochwas! Im Hafen liegt ein Schiff. Die Celara. Wenn Du die
Kapitänin Fiarel Unangor ebenfalls unterrichten könntest. Danke. "
Dein ernster Gesichtsausdruck unterstreicht, wie wichtig Dir diese
Angelegenheiten sind.
Taran zwinkert Dir zu. "Hey, Männer wie wir müssen zusammenhalten. Ich
werde Deine Leute benachrichtigen. Verlaß Dich auf mich."
Ein letztes Mal präsentiert er Dir sein blitzend weißes Gebiß und
wendet sich dann zum Ausgang. Etwas neidisch schaust Du ihm hinterher,
als der Feldwebel ihn aus dem Kerker bringt. Allerdings nicht, ohne ihm
den einen oder anderen Stoß zu verpassen. Sein Geschimpfe ob der groben
Behandlung verklingt, als sich die Kerkerfalltür hinter ihm schließt.
Deine Gedanken schweifen zu Aiunn. Einen kurzen Moment kannst Du Deine kalte
Umgebung vergessen, aber das keuchende Husten eines der Kerkerinsassen bringt
Dich abrupt in die Wirklichkeit zurück. Du mußt hier raus.
An einer einigermaßen trockenen Stelle läßt Du Dich auf den Boden nieder,
lehnst Dich an die Wand und denkst nach. Angesichts der neuen Situation
dürfte Levardos nicht mehr viel Zeit für Nachforschungen in Sachen Jolgin
aufbringen können. Das sollte ihn eigentlich davon abhalten, Aiunn in
Schwierigkeiten zu bringen. Vielleicht wäre es also angebracht, Levardos
alles über Jolgin und Quin zu erzählen und so diesem erbärmlichen Loch zu
entkommen. Gedacht, getan.
"OWAIN?" Dein Ruf hallt durch den Kerker, und die anderen Gefangenen starren
Dich an. Ob sich der Kerl zeigt?
"HEY OWAIN. LEVARDOS WOLLTE EINE AUSSAGE! DIE KANN ER JETZT HABEN."
Du bist aufgestanden und bis an die unterste Stufe der Treppe gegangen. Schon
setzt Du an, noch einmal nach dem Wärter zu rufen, als sich das Gitter
quietschend öffnet, und Du in das häßliche Gesicht Owains hinaufstarrst.
Er hält eine Laterne, die die Stufen beleuchtet und Dich blendet.
"Was willst Du Schreihals? Kannst Du einen ehrlichen Menschen nicht in Ruhe
lassen?"
Du vermeidest es, eine Grimasse zu ziehen, als ihm das Wort 'ehrlich' über
die Lippen kommt. Schließlich ist er Deine einzige Möglichkeit Levardos
zu erreichen.
"Ich muß dringend mit Levardos sprechen, denn ..."
Owain unterbricht Dich. "Ja, ja. Das sagen sie alle." Er spuckt
geräuschvoll auf den Boden. "Morgen seh' ich den Leutnant. Da kann ich's
ihm vielleicht sagen."
Du schüttelst den Kopf. "Du verstehst nicht. Wegen dieser Aussage hat mich
Levardos hierher bringen lassen. Sie ist wichtig für ihn. Und Du kannst ihm
die gute Nachricht bringen, daß ich bereit bin zu reden."
Owain schaut Dich zweifelnd aus zusammengekniffenen Augen an. Du lächelst ihm
aufmunternd zu.
"Vielleicht springt ja sogar eine Beförderung heraus. Aber es ist dringend."
"Na gut." Owains Antwort kommt zögernd. "Ich werde mal sehen, ob ich den
Leutnant finde."
Mit diesen Worten dreht er sich um und schließt die Falltür wieder hinter
sich. Du bleibst im Kerker zurück und hoffst auf das baldige Erscheinen des
Hauptmanns.
Das Warten macht den Aufenthalt im Kerker erst recht zur Hölle. Die nächste
Atlai scheint sich einer halben Ewigkeit zu dehnen. Als sich die Kerkertür
wieder öffnest spürst Du daher als erstes nur Erleichterung, daß endlich
etwas passiert. Die Erleichterung verwandelt sich in Spannung und Hoffnung
als tatsächlich Levardos Gesicht in der Öffnung erscheint.
"Meister Kallar, ich freue mich zu hören, daß Ihr Euch etwas überlegt
habt. Kommt doch herauf!" Mit einem Wink bedeutet er Dir hinaufzuklettern.
Blinzelnd kletterst Du die Treppe empor, denn gegen die Düsternis des
Kerkers ist der darüber liegende Raum blendend hell erleuchtet. Levardos,
der ein leichtes Kettenhemd und ein Kurzschwert trägt, führt Dich in
einen kleinen Raum, anscheinend die Kammer des Kerkermeisters, der jedoch
nicht mitkommt. Mit einem angeekelten Blick schiebt Levardos den Dreck
beiseite, der sich auf dem Tisch und dem einzigen Stuhl angesammelt hat und
meint: "Setzt Euch!" Er selbst bleibt jedoch stehen. Du lehnst das Angebot
kopfschüttelnd ab, denn der Raum läd wirklich nicht dazu ein, sich hier
irgendwo niederzulassen. Stattdessen schaust Du Levardos direkt an.
"Ihr wolltet mit etwas erzählen?" fragt er und hebt eine Augenbraue.