Du stehst am Rande des Thronsaals der
Chelek in der Inneren Stadt von Chelekar. Die Chelek steht vor ihrem
aus Basalt gemeisselten Thron. Vor ihr ragt die Gestalt einer anderen
Tlaroi auf, einen langen Speer in allen vier Händen. Sie
stösst zu, und mit einem lautlosen Seufzer sinkt die Kaiserin zu
Boden.
Die triumphierende Tlaroi verwandelt sich in
...
Du wachst auf.
...
Nach einem herzhaften Frühstück - die
Küche des Grafen ist wirklich ausgezeichnet - hast Du den Traum
schon fast wieder vergessen. Der drehwärtige Himmel ist schon
ziemlich hell, aber die Sonne ist noch nicht aufgegangen, als Du die
Stallungen der Burg betrittst. Es ist noch alles ruhig hier, und Du
entscheidest Dich, keinen Stallburschen zu rufen, sondern Dein Pferd
selbst fertig zu machen. Deine Stute begrüsst Dich mit einem
zufriedenen Schnauben. Sie scheint gut versorgt zu sein, und auch
Dein Sattelzeug ist in hervorragendem Zustand, als Du es aus der
Sattelkammer holst.
Gerade hast Du die Säuberung Deines Pferdes
beendet, als Du aus einer der Boxen ein freudiges Wiehern hörst.
Du blickst auf und siehst, dass eine junge Frau den Stall betreten
hat. Im Schein der Lampe siehst Du, dass sie wie Du für einen
Ausritt gekleidet ist. Sie ist klein, zierlich und ausgesprochen
hübsch. Lange dunkelblonde Locken fallen über ihre
Schultern und aus blauen Augen schaut sie Dich neugierig an. An ihrer
Seite läuft ein schlanker grauer Jagdhund.
"Guten Morgen. Ich dachte, ich wäre heute die
erste im Stall, aber es scheint, es gibt noch andere
Frühaufsteher."
Ihre Stimme ist hell, und Ihr fröhlicher Ton
zeugt von guter Laune.
"Guten Morgen. Ich habe einen längeren Ritt
vor und wollte deshalb früh aufbrechen. Meine Name ist Gwendon
und mit wem habe ich die Ehre?"
"Ich heisse Arwen.
Gwendon? Euer Name ist ein einheimischer, aber Eure Sprache ist nicht
von hier. Darf ich fragen, woher Ihr kommt?"
"Ihr habt recht, ich bin nicht von hier. Ich komme
aus dem fernen Chelekar und bin nur ein Gast des Grafen."
"Chelekar? Oh, das ist interessant. Wohin reitet
Ihr?"
"Ahh, ich habe gehört ... ich wollte mir den
Forst von Dannmar ansehen,der Graf will dort auf Jagd
gehen."
"Ja, der Forst ist ... Graf Tamaigs
bevorzugtes Jagdrevier. Darf ich Euch begleiten? Ich kenne den Weg
und kann Euch führen."
Du überlegst kurz und denkst Dir, das eine
Begleitung wirklich nicht schaden kann. Ausserdem wäre es sehr
unhöflich, die Bitte abzuschlagen.
"Nichts würde mich mehr freuen, als diesen
Tag mit so angenehmer Begleitung zu verbringen."
"Dann wartet nur einen Moment. Ich muss nur meine
Fiura satteln. Komm, Tam!"
Sie pfeift ihrem Hund und verschwindet in der Box,
aus der eben das Wiehern zu hören war.
...
Die letzten Reste des Nebels haben sich verzogen,
und eine blasse Herbstsonne scheint auf die Felder Gwynneths herab.
Seit zwei Stunden reitet ihr jetzt über Land. Die Wachen am Tor
der Burg waren sehr höflich zu Arwen, als ihr Llannaid verlassen
habt. Sie muss wohl eine relativ hochgestellte Person sein -
vielleicht eine Verwandte des Grafen.
Darauf weist auch ihre gute Kleidung und ihr
hervorragendes Pferd hin. Andererseits hat sie überhaupt nichts
von der Reserviertheit des Grafen und ist eine sehr fröhliche
Gesprächspartnerin. Mit Entzücken lauscht sie Deinen
Liedern, Gedichten und Geschichten, so dass Du es gar nicht über
Dich bringen kannst, zu viele düstere Andeutungen über den
Eiskönig zu machen.
Die Gegend um Llannaid scheint recht dicht
bevölkert zu sein, denn ihr reitet fast immer zwischen Feldern
und Weiden hindurch. Gelegentlich durchquert ihr einen kleinen,
ärmlichen Weiler. Arwen erklärt Dir, dass hier, im
Gegensatz zu den randwärtigen Hochländern, die meisten
Bauern Pächter und nicht Landbesitzer sind. Das meiste Land
gehört hier dem Haus Llannaid, dessen Mitglieder auf
verschiedenen Gütern in der Umgebung wohnen, abgesehen
natürlich von Tamaig ap
Llannaid, dem Grafen. Sie spricht mit
grossem Respekt, aber auch mit Wärme vom Grafen. Fragen nach
ihrer genauen Beziehung zu ihm und ihrer Herkunft weicht sie jedoch
aus, und Du bist zu höflich, um in sie zu dringen.
...
"Dort vorne liegt Ternad, von dort führt ein
Weg zum Forsthaus."
Arwen hat sich im Sattel aufgerichtet und deutet
auf ein paar Häuser, von deren Dächern Rauch aufsteigt.
Hinter dem Weiler beginnt der Wald, der sich dunkel über
niedrige Hügel bis an den Horizont erstreckt.
Arwen treibt ihr Pferd an, und Du folgst ihrem
Beispiel. Bald habt ihr die ersten Häuser erreicht. Einfache
Bauernhütten aus Holz und Lehm und ein paar Feldwege sind alles,
was dieser Ort zu bieten hat. Ein paar spielende Kinder schauen euch
neugierig hinterher, und der eine oder andere Erwachsene wirft einen
Blick aus der Tür als ihr vorbeireitet, aber das ist auch schon
die gesamte Aufmerksamkeit, die ihr erregt.
Zwischen den Feldern hinter dem Weiler beginnt ein
Weg, dem man ansieht, dass er für einen Feldweg relativ viel von
Pferden und sogar Wagen benutzt wird. Zwischen Hecken hindurch, auf
den Wald zu, folgt Arwen diesem Pfad.
Der Weg beschreibt eine Kurve um eine
Böschung herum, und unvermittelt steht ihr vor dem Forst vor
Dannmar. Grosse Eichen und Buchen überschatten den Pfad, der
weiter in den Wald hinein führt. Der Boden ist recht frei von
Unterholz, aber hoch bedeckt vom LAub des letzten Sommers. Grau und
kahl ragen die Bäume auf, nur die Eichen tragen noch alte,
braune Blätter. Trotzdem vermag die schwache Herbstsonne kaum,
den Wald zu erhellen, und in graues Zwielicht erstreckt sich unter
den Bäumen so weit der Blick reicht.
"Das ist der Forst von Dannmar", sagt Arwen und
macht eine einladende Handbewegung. "Sehr freundlich sieht er zu
dieser Jahreszeit allerdings nicht aus."
"Aber auch nicht abweisend oder gefährlich",
sinnierst Du, als ihr die Pferde unter die ersten Bäume
lenkt.
"Hier nicht, aber ich habe gehört, dass es
tief im Wald sehr unheimliche Orte geben soll. Und die Ruinen nicht
weit von hier haben mir immer kalte Schauer den Rücken
hinunterlaufen lassen", meint Arwen lächelnd.
"Ruinen?"
"Eigentlich nur ein paar alte Steine und Mauern.
Die Bauern erzählen sich Geistergeschichten darüber, aber
der Platz, an dem der Graf immer sein Jagdlager aufschlägt, ist
nicht weit davon entfernt."
"Hm, solche laten Gemäuer interessieren einen
Geschichtensammler wie mich natürlich immer. Aber es ist Euch
wohl unangenehm dorthin zu reiten?"
"Ach nein, es sind ja nur einige
grasüberwachsene Steine. Wenn Ihr wollt zeige ich sie Euch,
nachdem wir im Forsthaus waren."
"Das ist sehr liebenswürdig von Euch, vielen
Dank!"
...
Das Forsthaus liegt auf einer weiten Lichtung ,
über die ein klarer Bach fliesst, und ist ein grosses
Holzgebäude. Der Förster und seine Frau, die hier leben,
heissen Euch herzlich willkommen und tischen Euch ein
grosszügiges Mittagsmahl auf. Du bedankst Dich mit ein paar
Liedern und Gedichten und hörst Dir die Erzählungen des
Försters über den Wald an. Er berichtet von wilden
Ungeheuern, die in den Tiefen des Forstes hausen, aber selten in
diesen Teil des Waldes kommen. Er bestätigt, dass sich die
Bauern abergläubisch von den Ruinen fernhalten, aber er selbst
sei schon oft hindurch gegangen, ohne dass ihm jemals etwas
zugestossen sei.
"Auf einzelnen Steinen kann man noch Zeichen oder Markierungen erkennen, aber
sie sind fast vollständig abgeschliffen und man keinen Sinn und
keine Bedeutung in ihnen finden."
...
Schliesslich brecht ihr wieder auf, und Arwen
führt Dich tiefer in den Wald hinein. Bald führt der Pfad
leicht abwärts, und nach kurzer Zeit erreicht ihr eine weitere
Lichtung.
Ein kleiner Bach fliesst plätschernd an
ihrren Rand entlang, und auf der anderen Seite beginnt der Hand des
nächsten Hügels. Die Lichtung selbst ist nur mit Gras
bewachsen, das jetzt braun und dürr ist. Einige
unregelmässige Erhebungen könnten die Überreste von
Mauern oder Gebäuden sein, aber nur unter den Bäumen auf
dem gegenüberliegenden Hang sind bearbeitete Steine und die
Reste von Mauerwerk zu sehen.
Arwen lenkt ihr Pferd durch den Bach und hält
auf der Lichtung an. Es ist sehr still, nur der Bach und der eine
oder andere Vogel sind zu hören.
"Hier lässt Graf Tamaig üblicherweise
sein Jagdlager aufschlagen. Die besten Reviere sind nicht weit von
hier, und die Lichtung bietet einen guten Lagerplatz." Arwen sieht
sich um. "Aber mir ist der Ort irgendwie unheimlich."
Sie steigt an einer alten Feuerstelle, die von der
Benutzung des Platzes zeugt, ab und lässt ihr Pferd grasen. Du
tust es ihr gleich. Sie scheint keine Lust zu haben, sich näher
umzusehen, und so streifst Du alleine durch die Ruinen. Auf der
Lichtung selbst sind wirklich nur noch ein halbes Dutzend
grasbewachsener Erdhügel zu sehen, aber nicht weit entfernt im
Wald finden sich verfallene Mauern und sogar ein verwitterter
Torbogen steht noch inmitten eines Gebüschs. Zusammen mit dem
Grau und Braun der Bäume erzeugen die Ruinen ein Gefühl der
Melancholie, aber auch von Alter und Verfall. Du kannst Arwen
verstehen, dass ihr die Gemäuer unheimlich sind. Vielleicht war
dies vor langer Zeit eine Siedlung mit prächtigen Häusern
aus Stein. Aber wer oder was hier einmal gelebt hat, ist
unmöglich zu sagen. Manche Steine weisen Spuren von Verzierungen
oder Inschriften auf, aber alles ist von Moos überwuchert und
vom Zahn der Zeit zernagt.
Nachdem Du auch keine Spuren von anderen Besuchern
ausser Dir und Arwen, zumindest in jüngerer Zeit, finden kannst,
begubst Du Dich schliesslich zurück zu Deiner Begleiterin und
den Pferden.
"Habt Ihr Eure Neugier befriedigt?" Arwen sitzt mit untergeschlagenen
Beinen auf einem Erdhügel, geniesst die letzten Sonnenstrahlen,
die auf die Lichtung fallen und lächelt Dich an, als Du zurückkommst.
"Ja, aber es ist wirklich nicht viel zu sehen.
Könnt Ihr mir verzeihen, dass ich Euch an einen Euch so
unangenehmen Ort geschleppt habe?"
"Ach, so schlimm ist es gar nicht. Ich habe hier
nur immer ein seltsames Gefühl, als ob ich die Geister dieses
Ortes stören würde. Aber das ist ja Unsinn."
"Sagt so etwas nicht. An solchen Orten sollte man
sich häufiger auf seine Gefühle verlassen, und mein
Gefühl sagt mir jetzt, dass wir lange genug hier gewesen sind.
Lasst uns umkehren, dann kommen wir auch vor Einbruch der Dunkelheit
zurück nach Llannaid."
Obwohl sie es nicht ausspricht, scheint Arwen doch
froh zu sein, von diesem Ort wegzukommen, als ihr die Pferde besteigt
und sie durch den Bach wieder in den Wald lenkt.
...
"Aber Fräulein Arwen, wir waren so
fürchterlich in Sorge um Euch! Wie könnt Ihr bloss einfach
ausreiten, ohne jemandem Bescheid zu sagen?"
Der Burghof ist in hellem Aufruhr, nachdem die
Wachen am Tor geradezu Alarm geschrien haben, als ihr
zurückgekommen seid. Dir schenkt in dem Tumult zwar niemand
Beachtung, aber Du kannst Dir aus dem ganzen doch einiges
zusammenreimen.
Arwen heisst mit vollem Namen Arwen ap Tereg und ist nicht nur die Nichte des
Grafen, sondern auch die Kusine des Königs von Gwynneth. Als
sie heute morgen mit Dir ausgeritten ist, offensichtlich ohne jemandem
etwas zu sagen, hat das verständlicherweise einige Aufregung
hervorgerufen. So wird sie nun von der Hälfte des Burggesindes
umschwärmt, und Du hast keine Gelegenheit, Dich richtig zu verabschieden.
Das ist etwas schade, denn sie war eine wirklich angenehme Begleitung
und eine sehr gute Zuhörerin. Aber vielleicht wirst Du sie in
den nächsten Tagen nocheinmal sehen.
...
Eure Gemächer sind still und verlassen,
deshalb begibst Du Dich zur Bibliothek des Grafen. Dort findest Du
Ajac und Liogan in eine Partie Chelek vertieft und gesellst Dich zu
ihnen.